Warum sollte jemand auf die Sekunde genau zur selben Zeit jeden Tag die Toilette spülen? Viele der Nachbarn haben darüber spekuliert, und einige sind sogar in ihren Annahmen recht kreativ geworden. Herr Müller von nebenan, der selbst bekennender Freund klarer Strukturen ist, vermutet, dass es sich um einen Mann handelt, der feste Routinen braucht, um Ordnung in seinem Alltag zu schaffen. „Manche Menschen sind eben Gewohnheitstiere,“ sagt er und zuckt dabei leicht die Schultern.
Frau Schmidt im Stockwerk darüber hat eine andere Theorie: „Vielleicht ist es eine Art spirituelles Ritual für ihn. Manche Menschen meditieren, er könnte eben seine Art von Abschluss des Tages gefunden haben.“ Sie lacht, aber im Kern könnte sie recht haben. Rituale – selbst wenn sie so alltäglich erscheinen wie das Spülen der Toilette – können einem Menschen Halt geben und das Gefühl, den Tag symbolisch abzuschließen.
Der Punkt auf dem "i" des Tages
Für viele stellt die Toilette einen wenig aufregenden Teil des Alltags dar. Sie ist ein Ort der Notwendigkeit, jedoch selten ein Ort, der besondere Aufmerksamkeit erhält. Dass dieser Mann sie dennoch in seinen Tagesablauf so fest eingebaut hat, zeigt, wie unterschiedlich Rituale sein können und wie sie für jeden Menschen anders aussehen. Einige schaffen sich mit einem warmen Getränk eine Brücke zur Nacht, andere mit einem Buch oder einem letzten Spaziergang – und dieser Mann eben mit einer einzigen, fest eingeplanten Spülung.
Eine Nachbarin im Erdgeschoss meinte augenzwinkernd: „Es ist wie der Punkt auf dem ‚i‘ seines Tages, eine kleine, aber bedeutungsvolle Geste.“ Vielleicht ist es für ihn auch einfach nur eine Art innere Ordnung, eine stille Bestätigung, dass alles getan ist, bevor er sich zur Ruhe begibt.
Ein leises Gesprächsstoff für die Nachbarschaft
Der Mann selbst, der diese Routine praktiziert, scheint sich über das leise Gerede im Haus nicht im Geringsten bewusst zu sein. Er grüßt höflich, bleibt aber für sich und scheint sich weder über die Fragen der Nachbarn zu wundern noch zu amüsieren.
Obwohl das Geräusch einer abendlichen Toilettenspülung kaum spektakulär ist, hat es seinen Weg in die kleinen Gespräche der Hausgemeinschaft gefunden. Diese simple Angewohnheit hat den Nachbarn eine gemeinsame kleine Geschichte geliefert und zeigt, wie selbst die kleinsten Handlungen eines Menschen anderen ins Auge fallen und das Potenzial haben, zu einem ganz eigenen Mythos zu werden.
Ob dieser Mann nun jemals von der Aufmerksamkeit erfährt, die ihm zugeteilt wird, bleibt ungewiss. Aber seine Nachbarn haben in der Geschichte ihrer Wohnanlage einen kleinen, faszinierenden Alltagsmythos hinzugewonnen, der ihnen zeigt, dass selbst die unscheinbarsten Gewohnheiten im Alltag manchmal etwas ganz Besonderes sein können.
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