Die Debatte um die Arbeitsmoral in Deutschland ist zurück – und sie wird härter denn je geführt. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat mit deutlichen Worten eine neue Welle der Empörung ausgelöst: „Wir müssen in diesem Land wieder mehr und vor allem effizienter arbeiten. Mit Viertagewoche und Work-Life-Balance werden wir den Wohlstand nicht erhalten können.“
Eine Kampfansage an die Generation „Life first“
In einer Zeit, in der viele junge Menschen flexible Arbeitszeiten, Homeoffice und Selbstverwirklichung fordern, wirkt Merz' Aussage wie ein Rückgriff auf alte Leistungsdogmen. Doch der Kanzler meint es ernst: Die wirtschaftlichen Herausforderungen, Fachkräftemangel und eine alternde Bevölkerung ließen keinen Spielraum für „Wohlfühl-Arbeitsmodelle“.
Die Reaktionen lassen nicht lange auf sich warten. Während konservative Stimmen Merz recht geben und an Tugenden wie Fleiß, Disziplin und Pflicht erinnern, empören sich Vertreter*innen der jüngeren Generation: „Wer mit 40 einen Burnout hat, sichert auch keinen Wohlstand“, heißt es auf Social Media.
Generationenstreit bei „Markus Lanz“
Bei Markus Lanz prallten in dieser Woche die Fronten frontal aufeinander. Franz Müntefering, ehemaliger Vizekanzler und SPD-Politiker, erinnerte mit Verve an die alte Devise „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“. Dabei stellte er die Sinnfrage: „Was heißt überhaupt Work-Life-Balance? Arbeit ist Teil des Lebens.“
Ihm gegenüber saßen junge Gründerinnen, Influencer und Arbeitnehmervertreter, die betonten: „Niemand verweigert Arbeit – wir wollen nur nicht an ihr zugrunde gehen.“ Die Diskussion bewegte sich zwischen Verständnis, Frust und gegenseitigem Unverständnis. Der Hashtag #arbeitsmoral trendete noch am selben Abend.
Produktivität vs. Präsenzkultur
Wirtschaftsexperten verweisen darauf, dass nicht mehr Arbeitszeit automatisch mehr Output bedeutet. Deutschland habe ein Produktivitätsproblem, kein Faulheitsproblem. Der Ruf nach mehr Stunden kaschiere, dass Digitalisierung, Bürokratieabbau und moderne Führungskultur viel wirksamer wären als moralische Appelle.
Eine Gesellschaft im Wandel – oder im Rückschritt?
Die Debatte offenbart einen tiefen gesellschaftlichen Riss: Hier die Leistungsgeneration, geprägt von Nachkriegspflichtbewusstsein – dort eine Generation, die Selbstfürsorge, Sinn und Nachhaltigkeit über Statussymbole stellt.
Doch wer hat recht? Vielleicht beide – oder keiner. Klar ist: Die Wohlstandsfrage lässt sich nicht nur mit Stundenplänen beantworten. Es braucht neue Modelle, die Leistungsfähigkeit mit Lebensqualität verbinden, und einen ehrlichen Dialog über Verantwortung, Solidarität und Zukunftsfähigkeit.
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