Mitten in Deutschland, einem der reichsten Länder Europas, lebt eine Mutter mit ihrer fünfjährigen Tochter – am Existenzminimum. Anna M.*, 40 Jahre alt, alleinerziehend, kämpft jeden Tag darum, ihrer Tochter ein würdiges Leben zu ermöglichen. Doch mit nur 379 Euro im Monat bleibt kaum mehr als ein Überlebenskampf.
„Ich rechne jeden Cent“
Anna sitzt an ihrem kleinen Küchentisch. Neben ihr spielt ihre Tochter Lena mit einem abgewetzten Stofftier, das sie seit ihrer Geburt besitzt. Neue Spielsachen? Nicht drin. „Ich rechne jeden Cent. Miete, Strom, Essen – da bleibt am Ende kaum was für uns übrig“, erzählt Anna leise. Die 379 Euro, die ihr monatlich zum Leben bleiben, sind das, was nach Abzug von Miete und Fixkosten vom Bürgergeld übrig bleibt.
Dabei hatte Anna andere Pläne für ihr Leben. Nach der Schule machte sie eine Ausbildung zur medizinischen Fachangestellten. Jahrelang arbeitete sie in einer Gemeinschaftspraxis – bis die Schwangerschaft kam und sie schließlich allein mit der Verantwortung zurückblieb. Der Wiedereinstieg scheiterte an fehlender Kinderbetreuung, chronischer Erschöpfung und einem System, das alleinerziehenden Müttern oft wenig Raum lässt.
Armut in einem reichen Land
Was Anna erlebt, ist kein Einzelfall. Laut aktuellen Statistiken sind in Deutschland rund 43 Prozent aller Alleinerziehenden armutsgefährdet. Besonders betroffen sind Frauen, die aufgrund von Betreuungspflichten kaum erwerbstätig sein können. Trotz staatlicher Unterstützung reichen die Leistungen in vielen Fällen kaum aus, um ein Leben in Würde zu führen.
„Ich schäme mich, meiner Tochter so wenig bieten zu können“, sagt Anna. Dabei ist sie keine Frau, die sich aufgibt. Sie kämpft. Jeden Tag. „Ich will, dass sie später bessere Chancen hat. Dass sie nicht das Gefühl hat, arm zu sein.“
Kindheit mit Einschränkungen
Für Lena bedeutet das: kein Schwimmunterricht, kein Urlaub, selten frisches Obst, oft gebrauchte Kleidung. Auch bei Kindergeburtstagen fühlt sie sich manchmal ausgegrenzt. „Sie fragt mich oft, warum wir uns Dinge nicht leisten können, die andere Kinder haben“, sagt Anna mit Tränen in den Augen. „Wie erklärt man einem Kind Armut?“
„Was ich brauche, ist eine echte Perspektive“
Anna will arbeiten. Doch die Realität ist komplex: Ohne flexible Kinderbetreuung und passende Jobangebote bleibt ihr kaum eine Wahl. Viele Jobs sind in Teilzeit schlecht bezahlt, Aufstiegsfortbildungen kaum machbar. „Ich brauche keine Almosen. Ich brauche eine echte Perspektive“, sagt sie.
Was sich ändern muss
Die Geschichte von Anna wirft ein Schlaglicht auf strukturelle Probleme: mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf, unzureichende Unterstützung für Alleinerziehende, zu niedrige Regelsätze im Bürgergeld, fehlende Chancengleichheit für Kinder in Armut.
Organisationen wie der Paritätische Wohlfahrtsverband oder die Diakonie fordern seit Jahren gezielte Maßnahmen: höhere Sozialleistungen, kostenlose Kinderbetreuung, Wohnkostendeckung, verbesserte Bildungs- und Teilhabeangebote für Kinder.
Hoffnung bleibt
Trotz allem schöpft Anna Hoffnung aus der Liebe zu ihrer Tochter. „Sie ist mein größtes Glück. Und ich gebe nicht auf – für sie.“ Doch sie weiß auch: Liebe allein füllt keine Brotdose.
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