Jeden Morgen um fünf Uhr steht Helga Müller auf. Die 66-Jährige zieht ihre alten, vom Regen abgewetzten Gummistiefel an, schmiert sich ein Käsebrot für unterwegs und macht sich auf den Weg zum Apfelhof am Rande ihres Dorfes in der Nähe von Erfurt. Dort arbeitet sie – Tag für Tag, Saison für Saison – als Erntehelferin, um sich etwas Geld dazuzuverdienen.
„Ich habe keine andere Wahl“
Helga hat 40 Jahre in einer Bäckerei gearbeitet, später in einer Kantine geputzt. „Ich war nie zu Hause, habe immer gearbeitet“, sagt sie, während sie vorsichtig einen reifen Apfel vom Baum pflückt und in die Kiste legt. Ihre Hände sind rau, die Gelenke schmerzen. Doch eine Pause kann sie sich nicht leisten. Ihre Rente beträgt nur 680 Euro im Monat. Die Miete, Nebenkosten und Lebensmittel verschlingen fast alles.
„Wenn ich nicht aufs Feld gehe, kann ich mir keine warmen Sachen leisten, keine Schuhe, keine Medikamente. Ich mache das nicht, weil es mir Spaß macht, sondern weil ich muss“, sagt sie.
Harte Arbeit, wenig Lohn
Der Job ist anstrengend. Oft steht Helga zehn Stunden auf der feuchten Wiese, egal ob die Sonne brennt oder der Herbstregen auf sie niederprasselt. Pro Kilo Äpfel verdient sie ein paar Cent. Wenn sie Glück hat, schafft sie am Tag 30 bis 40 Euro. „Manchmal denke ich, ich schaffe das nicht mehr. Aber ich will niemandem zur Last fallen.“
Ihre Kinder wohnen weit weg, kämpfen selbst mit steigenden Preisen. Unterstützung vom Staat? Bekäme sie, aber Helga schämt sich, Grundsicherung zu beantragen. „Ich habe immer gearbeitet, ich will niemandem auf der Tasche liegen.“
Kein Einzelfall
Helga ist kein Einzelfall. Immer mehr ältere Menschen in Deutschland müssen trotz Rentenbezug arbeiten, um ihre Existenz zu sichern. Laut Statistischem Bundesamt üben über eine Million Menschen über 65 Jahren einen Minijob oder eine Gelegenheitsarbeit aus – Tendenz steigend.
„Es tut weh, wenn man nach einem langen Arbeitsleben mit so wenig dasteht“, sagt Helga leise. „Aber ich bin trotzdem dankbar, dass ich wenigstens noch Arbeit finde. Andere haben gar nichts mehr.“
Ein Wunsch für die Zukunft
Wenn sie abends nach Hause kommt, ist sie oft so müde, dass sie sofort ins Bett fällt. Ihr größter Wunsch? „Dass ich mir irgendwann mal keine Sorgen mehr machen muss, wie ich den nächsten Monat überstehe. Einfach mal durchatmen – das wäre schön.“
Bis dahin wird Helga weiter Äpfel pflücken. Baum für Baum, Kiste für Kiste. Jeden Tag ein bisschen Hoffnung auf ein besseres Morgen.
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