Pille und Sydney leben dort, wo viele lieber wegsehen: auf der Straße. Ohne festen Wohnsitz, ohne Sicherheit, aber mit einer tiefen Freundschaft, die sie miteinander verbindet. Seit Jahren teilen sie nicht nur den harten Alltag in der Kälte der Städte, sondern auch ihre Ängste, Sorgen – und ihre Trauer.
Ihr gemeinsamer Freund Keven wurde kürzlich in ein Krankenhaus eingeliefert. Sein Zustand ist ernst. Die Diagnose haben sie nie ganz verstanden, doch was sie wissen: Es steht schlecht um ihn. Jeder Tag ohne Nachricht, jede Minute der Ungewissheit nagt an ihnen. "Wir wissen nicht, ob er die Nacht übersteht", sagt Sydney leise. Ihre Stimme zittert, doch in ihren Augen liegt mehr Wut als Tränen – Wut auf das Leben, das ihnen immer wieder nimmt, was ihnen noch bleibt.
Keven war für die beiden mehr als ein Freund. Er war eine Art Anker in einem Leben, das sonst kaum Halt bietet. Gemeinsam haben sie Nächte in Notunterkünften verbracht, Essen geteilt, sich gegenseitig beschützt – vor Kälte, Gewalt, Einsamkeit. "Er war immer der Erste, der einen Witz gemacht hat, auch wenn alles zum Heulen war", erinnert sich Pille. "Jetzt ist es still. Zu still."
Der Straßenalltag ist hart, doch ohne Keven scheint er noch unerträglicher. Der ständige Überlebenskampf wird nun von der lähmenden Angst überlagert, dass sie bald noch einen Menschen verlieren könnten. Viele von denen, die wie sie auf der Straße leben, verschwinden irgendwann – durch Krankheit, Drogen, Gewalt oder einfach, weil sie nicht mehr können.
Trotz allem versuchen Sydney und Pille, nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren. "Wenn wir aufgeben, sind wir auch weg", sagt Sydney. Doch es klingt mehr wie ein Mantra als ein echter Glaube. Die Hoffnung ist schwach, aber sie ist da. Noch.
Während die Welt an ihnen vorbeigeht – eilig, gleichgültig, beschäftigt –, sitzen sie an ihrer Ecke, den Blick zum Horizont gerichtet, wo das Leben vielleicht wieder eine kleine Wendung nehmen könnte. Vielleicht mit einem Anruf aus dem Krankenhaus. Vielleicht mit einem Zeichen von Keven.
Bis dahin bleibt ihnen nur eines: zusammenzuhalten. Gegen die Kälte. Gegen die Angst. Und gegen die Einsamkeit.
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