Brigitte feiert bald ihren 75. Geburtstag. Sie lebt heute in einem Seniorenheim am Rande einer Kleinstadt. Was auffällt: Sie hat nie eigene Kinder bekommen – und das ist für viele ein Thema. Im Rahmen unserer Serie „Leben im Alter“ haben wir eure Fragen gesammelt. Lisa-Sophie hat Brigitte besucht, um mit ihr über Einsamkeit, Familie, das Älterwerden – und Billie Eilish – zu sprechen.


Brigitte, bist du einsam?

„Einsam? Nicht wirklich. Klar, es gibt Momente, da vermisst man Gesellschaft. Aber ich bin nicht allein. Ich habe Freunde im Heim, alte Kolleginnen, und mein Neffe kommt regelmäßig vorbei. Außerdem habe ich gelernt: Wer gut mit sich selbst auskommt, fühlt sich selten einsam.“

Und wer kümmert sich um deine Unterlagen und den ganzen Papierkram?

„Das macht meine Vorsorgebevollmächtigte – eine langjährige Freundin von mir. Wir haben das alles rechtzeitig geregelt. Es war mir wichtig, unabhängig zu bleiben und nicht darauf angewiesen zu sein, dass sich jemand 'verpflichtet' fühlt.“


Brigitte, vermisst du es, nie Kinder oder Enkel gehabt zu haben?

Sie überlegt lange.
„Manchmal ja. Gerade an Geburtstagen oder Weihnachten. Aber ich habe mein Leben bewusst so gewählt. Ich war Lehrerin aus Leidenschaft, hatte einen großen Freundeskreis, bin viel gereist. Ich hatte das Gefühl, dass ich genug geben konnte – auch ohne eigene Familie.“


Du warst Lehrerin – wie hat dich das geprägt?

„Sehr sogar. Ich habe über 40 Jahre unterrichtet. Kinder und Jugendliche zu begleiten, war für mich wie eine zweite Familie. Viele schreiben mir heute noch. Ich bin stolz darauf, Teil ihres Lebens gewesen zu sein – ganz ohne Mutterrolle.“


Was war mit der Liebe?

„Ich war verheiratet, ja. Wir haben uns scheiden lassen, als ich Anfang 50 war. Es war eine wichtige, schwere, aber richtige Entscheidung. Danach habe ich mein Leben noch einmal neu sortiert – und viel Freiheit genossen.“


Besucht dich noch jemand regelmäßig im Heim?

„Ja, mein Neffe kommt oft. Auch zwei frühere Kolleginnen. Und einmal im Monat treffen wir uns zum 'Literaturkreis' im Gemeinschaftsraum – mit Wein und allem Drum und Dran. Ich fühle mich nicht vergessen.“


Und jetzt die vielleicht überraschendste Frage: Was hältst du von Billie Eilish?

Brigitte lacht.
„Ich finde sie faszinierend. Ihre Stimme hat etwas Melancholisches, das mich berührt. Ich verstehe nicht jeden Text, aber das Gefühl kommt an. Musik war schon immer wichtig für mich. Früher war’s Edith Piaf, heute eben Billie Eilish.“


Was möchtest du jungen Menschen mitgeben, die Angst vor dem Alter haben?

„Habt keine Angst. Es ist nicht alles leicht – aber auch nicht alles schwer. Man muss sich vorbereiten, Entscheidungen treffen, unabhängig bleiben. Und das Wichtigste: Man darf das Alleinsein nicht mit Einsamkeit verwechseln.“


Ein Gespräch über ein bewusst gelebtes Leben – ohne eigene Kinder, aber nicht ohne Nähe, Sinn oder Freude. Brigitte zeigt: Familie ist nicht nur das, was man gebiert – sondern auch das, was man im Leben aufbaut.

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