Sie trägt jeden Tag Kleidchen, darf sich nur höflich äußern, kennt sich mit königlichem Benehmen aus – und glaubt fest an die Magie des Besonderen. Die zehnjährige Amelie lebt nicht im Märchenschloss, aber ihr Alltag ist geprägt von einem Erziehungsstil, der in der heutigen Zeit polarisiert: Ihre Eltern ziehen sie ganz bewusst „wie eine Prinzessin“ groß.

Ein märchenhafter Alltag – mit festen Regeln

Während viele Kinder in ihrem Alter Hosen und Turnschuhe tragen, geht Amelie meist in Tüllkleidern zur Schule, mit sorgfältig frisierten Haaren und lackierten Nägeln. Ihre Mutter, eine frühere Ballettlehrerin, legt großen Wert auf Anmut, Sprachkultur und gepflegte Umgangsformen. „Ich will, dass meine Tochter weiß, wer sie ist – dass sie Haltung zeigt, in jeder Hinsicht“, erklärt sie. „Eine moderne Prinzessin eben – stark, aber stilvoll.“

Amelies Tag beginnt mit klassischer Musik zum Frühstück. Sie spricht ihre Eltern mit „Mama“ und „Papa“ an – und bedankt sich für jede Mahlzeit mit einem Knicks. Fernsehen gibt es nur ausgewählt, dafür stehen Klavier, Etikette-Training und Literatur auf dem Wochenplan. Kindlich ist daran wenig. Märchen, Ballette und historische Dokumentationen prägen ihr Weltbild.


Zwischen Faszination und Fragwürdigkeit

„Amelie ist außergewöhnlich höflich, fast zu erwachsen“, sagt ihre Grundschullehrerin. Während andere Kinder toben und kichern, sitzt sie mit geradem Rücken und wartet, bis sie angesprochen wird. Manche Mitschüler bewundern sie – andere finden sie merkwürdig. Amelie selbst spürt das: „Ich bin nicht wie die anderen, aber das ist okay. Ich bin eben anders aufgewachsen.“

Psychologen sprechen bei solchen Fällen manchmal von „ästhetisch-kontrollierter Erziehung“ – einem Stil, bei dem äußere Erscheinung und Benehmen überdurchschnittlich stark im Vordergrund stehen. „Solche Erziehung kann Kindern Orientierung geben“, sagt Entwicklungspsychologin Dr. Mira Schneider. „Aber sie darf nicht zur Maskerade werden, hinter der Gefühle und echte Entwicklung unterdrückt werden.“


Wo endet Stil – und wo beginnt Druck?

Die Mutter betont, dass es Amelie an nichts fehle. „Sie darf Nein sagen. Aber sie weiß, dass wir von ihr erwarten, sich wie eine kleine Lady zu verhalten.“ Auf Kritik angesprochen, antwortet sie entschieden: „Ich bringe meiner Tochter Würde bei – nicht Unterwerfung. In einer Welt, die immer lauter und rücksichtsloser wird, ist das ein Geschenk.“

Doch hinter der Fassade von Spitze und Porzellan verbirgt sich auch Druck: Amelie leidet unter Prüfungsangst, macht sich Sorgen, unhöflich zu wirken oder jemandem auf die Füße zu treten. „Ich will alles richtig machen“, sagt sie leise. „Wie eine Prinzessin es eben tun würde.“

Zwischen Wunschbild und Wirklichkeit

Amelies Geschichte wirft Fragen auf: Wie viel „Prinzessinnensein“ ist gesund? Was passiert, wenn sie älter wird – wenn sie selbst entscheiden will, wer sie ist, was sie trägt, wie sie lebt? Die Eltern sagen, sie seien bereit, loszulassen, „wenn sie bereit ist“. Ob das auch wirklich gelingt?

In einem Land ohne Königshaus lebt Amelie wie eine kleine Adelige – inmitten einer Welt, die anders tickt. Vielleicht wird sie eines Tages selbst darüber schreiben, wie es war, als Kind eine Krone zu tragen – aus Stoff, aus Erwartungen, aus Liebe.

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