In einer überraschend deutlichen Aussage hat der Sozialökonom und Verteilungsforscher Dr. Markus Feldmann eine Idee präsentiert, die das bisherige Verständnis sozialer Gerechtigkeit auf den Kopf stellen könnte: Jedes in Deutschland geborene Kind soll automatisch ein Startkapital von 100.000 Euro erhalten. Der Staat soll dieses Kapital bereitstellen – und so die Grundlage für eine gerechtere Vermögensverteilung legen.

„Wir reden seit Jahren über Chancengleichheit, aber wir schaffen sie nicht“, sagte Feldmann in einem Interview. „Einige Kinder starten mit Immobilien, andere mit Schulden. Wer es ernst meint mit Gleichheit, muss beim Vermögen beginnen, nicht erst in der Schule.“ Das Startkapital solle weder an das Einkommen der Eltern gebunden sein noch zurückgezahlt werden müssen.

Ein drastischer Vorschlag – und doch logisch, sagt der Experte

Deutschland zählt zu den Ländern mit der größten Vermögensungleichheit in Europa. Während die reichsten zehn Prozent rund zwei Drittel des Gesamtvermögens besitzen, hat ein großer Teil der Bevölkerung kaum Rücklagen. Feldmann sieht darin ein strukturelles Problem, das sich von Generation zu Generation verfestigt.

„Wir geben Milliarden für Subventionen und Steuererleichterungen aus, von denen vor allem Wohlhabende profitieren. Warum investieren wir nicht direkt in die Menschen – und zwar von Anfang an?“ fragt Feldmann. Mit 100.000 Euro könnten junge Erwachsene später entweder eine Ausbildung finanzieren, ein Unternehmen gründen oder Wohneigentum erwerben.

Finanzierung über neue Vermögensmodelle

Der Vorschlag wirkt gigantisch – und doch hält Feldmann ihn für finanzierbar. Er spricht von einer Reform der Erbschafts- und Vermögensbesteuerung sowie von Fondsmodellen, bei denen das Kapital staatlich investiert und langfristig vermehrt wird.

„Man muss es nicht einmal sofort auszahlen. Der Staat kann das Geld investieren, sodass es bis zum 18. Geburtstag anwächst. In vielen Ländern existieren ähnliche Modelle, nur in deutlich kleinerem Umfang.“

Kritik bleibt nicht aus

Wirtschaftsverbände warnen bereits vor „völlig unrealistischen“ Finanzierungsmodellen und „massiver Bürokratisierung“. Konservative Stimmen sehen sogar eine „Gefahr, dass junge Menschen sich weniger anstrengen, wenn ihnen ein großes Startkapital zufällt“.

Feldmann widerspricht: „Studien zeigen klar: Wer Sicherheit hat, handelt mutiger, innovativer und wirtschaftlich verantwortungsvoller.“

Eine Debatte, die weiter wachsen wird

Ob der Vorschlag je umgesetzt wird, ist ungewiss. Doch eines hat der Experte bereits erreicht: eine Diskussion über die Rolle des Staates und darüber, wie viel ein Kind in Deutschland wert sein sollte – nicht moralisch, sondern ganz konkret finanziell.

„Wenn wir Chancengleichheit nicht nur predigen, sondern endlich umsetzen wollen,“ so Feldmann, „dann müssen wir groß denken. 100.000 Euro wären ein Anfang.“

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