Frau Ingrid S. lebt, wie sie selbst sagt, „aus dem Koffer“. Doch nicht, weil sie viel reist – sondern weil sie mit 80 Jahren noch immer zur Miete wohnt. Kein Eigenheim, keine Eigentumswohnung, kein bezahltes Häuschen irgendwo auf dem Land. Seit über sechs Jahrzehnten zieht sie von Wohnung zu Wohnung – freiwillig und unfreiwillig. Eine Geschichte zwischen Wandel, Bescheidenheit und einer scharfen Beobachtung unserer Zeit.

„Ich war nie der Typ fürs Eigentum“

Ingrid wuchs in den 1950er-Jahren auf, in einer Zeit des Wiederaufbaus. Geld war knapp, und Eigentum für viele ein ferner Traum.

„Meine Eltern hatten nichts, also habe ich auch nie gelernt, nach Besitz zu streben“, erzählt sie. „Ich wollte immer frei bleiben, nicht an Mauern gebunden.“

So lebte sie zur Miete – erst als junge Frau in einer WG, später mit Mann und Kindern in einer Altbauwohnung. Nach der Scheidung zog sie allein weiter. Eigentum kam für sie nie infrage – sei es aus Prinzip oder aus finanziellen Gründen.

Von Wohnung zu Wohnung – im Alter wird es härter

Was früher kein Problem war, wird mit dem Alter zur Herausforderung. Die Wohnungen, die sie sich leisten kann, sind klein, oft nicht barrierefrei – und die Mieten steigen.

„Ich habe schon dreimal umziehen müssen, weil mir die Wohnung zu teuer wurde oder der Eigentümer Eigenbedarf anmeldete“, sagt sie nüchtern. „Mit 80 ist das kein Spaß mehr.“

Inzwischen wohnt sie in einer 2-Zimmer-Wohnung am Stadtrand. Die Miete frisst über die Hälfte ihrer Rente. Unterstützung bekommt sie vom Sozialamt – eine Realität, die viele ihrer Generation nur ungern zugeben.

Keine Opferrolle – aber eine klare Meinung

Trotz allem beklagt sich Ingrid nicht. Sie lebt bescheiden, liest viel, trifft sich mit Freundinnen zum Kaffee. Und doch: Wenn sie über die Wohnsituation in Deutschland spricht, wird sie deutlich.

„Früher hieß es: Wer arbeitet, kann sich im Alter absichern. Heute reicht selbst 40 Jahre Arbeit oft nicht mehr für eine sorgenfreie Rente – und schon gar nicht für ein Eigenheim.“

Sie sieht sich nicht als Opfer, aber als Beispiel für viele ältere Menschen, die durch das Raster fallen.

„Ich bin nicht arm. Aber ich habe auch keine Sicherheit. Wenn mein Vermieter morgen kündigt, stehe ich wieder da.“

Ein Leben ohne Besitz – und ohne Bedauern?

Bereut sie es, nie gekauft zu haben? Ingrid zuckt mit den Schultern.

„Vielleicht. Aber ich habe viel erlebt, war nie verschuldet, habe niemandem etwas vorgemacht. Ich war unabhängig – das war mir immer wichtiger als Eigentum.“

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