Mit 57 Jahren fühlt sich Sabine M., gelernte Bürokauffrau mit über 35 Jahren Berufserfahrung, plötzlich wie ein Mensch zweiter Klasse. Nach einer betriebsbedingten Kündigung Anfang des Jahres ist sie seither auf Jobsuche – ohne Erfolg. Der Grund, so vermutet sie: ihr Alter.

„Ich war nie krank, habe mich immer engagiert, Überstunden gemacht, neue Programme gelernt – und dann hieß es plötzlich, meine Stelle wird gestrichen“, erzählt Sabine. Offiziell sei es eine Umstrukturierung gewesen. Doch als sie sah, dass jüngere Kollegen ihre Aufgaben übernahmen, wurde ihr klar: Sie war schlicht zu alt.

Berufserfahrung zählt plötzlich nicht mehr

Sabine hat in den letzten Jahrzehnten viele Veränderungen in der Arbeitswelt mitgemacht: Von Schreibmaschine zu Computer, von Fax zu Cloud-Systemen. „Ich war immer bereit zu lernen“, sagt sie. Dennoch spürt sie nun, wie ihre Bewerbungen scheinbar ungelesen bleiben. „Kaum einer lädt mich überhaupt zu einem Gespräch ein.“

Laut einer Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes haben über 40 % der über 50-Jährigen bereits altersbedingte Nachteile im Bewerbungsprozess erlebt. Dabei klagen viele, dass ihre Erfahrung kaum gewürdigt, sondern ihr Alter als Belastung gesehen wird.

Altersdiskriminierung – ein Tabuthema?

Arbeitsrechtler sprechen von einem weit verbreiteten, aber schwer nachweisbaren Problem. „Viele Unternehmen wollen ein junges, dynamisches Team. Was sie vergessen: Mit Erfahrung kommt oft auch Gelassenheit, Loyalität und Problemlösungskompetenz“, sagt Juristin Angela Kühn.

Sabine hat inzwischen über 80 Bewerbungen geschrieben – meist ohne Antwort. Die wenigen Rückmeldungen lauteten oft: „Wir haben uns für eine andere Person entschieden.“ Eine Begründung erhält sie selten.

Psychische Belastung und Existenzangst

Die monatelange Jobsuche zehrt an Sabines Selbstwertgefühl. „Ich frage mich manchmal, ob ich noch gebraucht werde.“ Die finanzielle Unsicherheit drückt zusätzlich. Frühverrentung ist keine Option, denn die Abschläge wären erheblich.

Ein Lichtblick kam in Form einer ehrenamtlichen Tätigkeit in einer Seniorenhilfe – unbezahlt, aber sinnstiftend. „Ich möchte gebraucht werden. Arbeit ist für mich mehr als Geld.“

Was müsste sich ändern?

Sabine fordert mehr Bewusstsein für Altersdiskriminierung. „Man spricht viel über Gleichstellung, Diversität, Inklusion – aber Alter wird fast nie thematisiert.“ Sie wünscht sich gezielte Programme für Menschen 50+, verpflichtende Schulungen für Personalverantwortliche und vor allem eines: eine faire Chance.

Bis dahin kämpft sie weiter – mit neuen Bewerbungen, Kursen und viel Hoffnung.

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