Ahmad sitzt auf der hölzernen Bank vor dem kleinen Supermarkt im Dorf. Die Sonne steht tief, die Herbstluft ist kalt und klar. Während er einen Schluck aus seiner Thermoskanne nimmt, beginnt er zu erzählen. „Am Anfang dachte ich, alles wird einfacher, wenn man einmal hier ist. Aber es ist komplizierter, als ich mir vorgestellt habe,“ sagt er leise. Die Augen des jungen Mannes verraten Müdigkeit, aber auch Entschlossenheit.
Er erinnert sich an die Flucht aus Syrien, an die langen Nächte in überfüllten Flüchtlingslagern, an die unzähligen Bürokratie-Hürden in Deutschland. „Die Reise war gefährlich, aber ich habe gehofft, in Deutschland Frieden zu finden,“ erzählt Ahmad. Doch Frieden ist nicht nur ein geografischer Ort, sondern auch ein innerer Zustand, den man sich hart erarbeiten muss.
Ahmad spricht über die alltäglichen Herausforderungen, die viele nicht sehen: die Sprache, die komplizierten Formulare, die ständige Unsicherheit über Arbeit und Aufenthalt. „Ich wollte Arzt werden. In Syrien habe ich Medizin studiert. Aber hier habe ich erst einmal einen Job als Lagerarbeiter gefunden,“ sagt er und schüttelt den Kopf. „Es ist nicht das, was ich gelernt habe, aber es ist ein Anfang.“
Doch nicht nur die Arbeit stellt ihn vor Herausforderungen. Ahmad erlebt auch subtile Diskriminierung. „Manchmal schaue ich in die Gesichter der Leute und sehe Misstrauen. Es ist, als würde ich nicht hierhergehören. Das tut weh, ehrlich gesagt.“ Er erzählt von Begegnungen in der Stadt, bei denen Menschen ihn meiden oder auf der Straße tuscheln, wenn er in traditioneller Kleidung unterwegs ist.
Trotzdem gibt es Hoffnung und kleine Erfolge. Ahmad besucht regelmäßig einen Deutschkurs und engagiert sich in der örtlichen Gemeinde. Er organisiert Veranstaltungen für Kinder, hilft anderen Flüchtlingen beim Ausfüllen von Formularen und versucht, Brücken zwischen Kulturen zu bauen. „Manchmal fühle ich mich wie ein Dolmetscher nicht nur der Sprache, sondern auch der Kulturen,“ sagt er schmunzelnd.
Ahmad berichtet auch über die Einsamkeit. „Die Menschen hier sind nett, aber die sozialen Verbindungen entstehen langsam. In Syrien war es anders, wir lebten eng miteinander, teilten alles. Hier fühlt man sich manchmal unsichtbar.“ Gerade in einem kleinen Dorf sei es schwer, Freunde außerhalb der eigenen Kultur zu finden.
Die jüngsten politischen Debatten in Deutschland über Migration und Integration haben ihn nachdenklich gemacht. „Ich verstehe die Sorgen der Menschen,“ sagt Ahmad, „aber Integration ist keine Einbahnstraße. Man muss bereit sein, zuzuhören, zu lernen und auch zu akzeptieren, dass wir alle voneinander profitieren können.“
Er träumt von einem Tag, an dem er seine medizinische Ausbildung anerkennen lassen kann und in Deutschland als Arzt arbeiten darf. „Ich will helfen, nicht nur überleben. Ich will Teil der Gesellschaft sein, nicht am Rande stehen.“
Ahmad erzählt auch von seinen kleinen Siegen: dem ersten selbstständigen Arzttermin, dem ersten deutschen Freund, dem ersten Gefühl von Normalität. „Diese Momente sind wichtig. Sie geben Hoffnung.“
Doch die Realität ist oft härter. Die psychische Belastung, das Gefühl, ständig beweisen zu müssen, dass man nützlich ist, die Angst vor Abschiebung oder Arbeitsplatzverlust – all das sind unsichtbare Lasten, die viele Flüchtlinge tragen. Ahmad spricht offen darüber, dass es Tage gibt, an denen er alles infrage stellt. Aber er betont, dass Rückschläge Teil des Prozesses sind. „Man muss weitergehen, Schritt für Schritt.“
Die Geschichte von Ahmad steht exemplarisch für viele Geflüchtete in Deutschland. Menschen, die auf der Suche nach Sicherheit und einer besseren Zukunft sind, die Hindernisse überwinden, Vorurteile erleben und dennoch nicht aufgeben.
„Ich habe Deutschland gewählt, weil ich hier Frieden und Chancen wollte. Ich hoffe, dass wir lernen, einander zu verstehen,“ sagt Ahmad zum Schluss. Dann erhebt er sich, zieht den Mantel enger um sich und geht zurück in das Dorf, das langsam sein Zuhause geworden ist.
Ahmads Geschichte ist ein Appell an die Gesellschaft: Integration ist ein gemeinsamer Prozess, und jeder kleine Schritt zählt. Seine Erfahrungen zeigen, dass es Mut, Geduld und Offenheit braucht – nicht nur von den Geflüchteten, sondern von allen, die Teil dieser Gesellschaft sein wollen.
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