Im Kleingartenverein von Luckenwalde, einer kleinen Stadt in Brandenburg, entsteht ein faszinierendes Beispiel für gelebte kulturelle Vielfalt. Hier treffen Menschen aus den unterschiedlichsten Herkunftsländern aufeinander – vom gebürtigen Brandenburger bis hin zum Neuzugang aus Syrien. Allein 10 Prozent der Laubenpieper, wie die Kleingärtner hier liebevoll genannt werden, stammen mittlerweile aus Syrien. Diese Entwicklung ist nicht nur ein Spiegelbild der aktuellen gesellschaftlichen Veränderungen, sondern auch ein Indiz für den Wandel, den das traditionelle Hobby der Kleingartenpflege durchlebt.
Die Kleingartenkultur in Deutschland hat eine lange Tradition. Hier geht es um mehr als nur den Anbau von Gemüse und Blumen – es ist ein Rückzugsort, ein Ort der Entspannung und gleichzeitig ein soziales Umfeld, das auf gemeinsamen Regeln und Traditionen basiert. Doch für viele, die aus anderen Kulturen stammen, ist dieser "grüne Raum" zunächst ein unbekanntes Terrain. Insbesondere für die syrischen Neuzugänge ist der Einstieg in die hiesige Kleingartentradition oft eine Herausforderung. Hier gelten nicht nur praktische, sondern auch soziale und kulturelle Normen, die sich stark von denen unterscheiden, die sie aus ihrem Heimatland kennen.
Der Unterschied wird besonders in den Details sichtbar. In vielen syrischen Kulturen ist es üblich, den eigenen Garten mit lebendigen Farben und üppiger Bepflanzung zu gestalten. Blumenbeete werden reichlich bepflanzt, und es gibt oft eine klare Trennung zwischen funktionalen und ästhetischen Bereichen des Gartens. In Deutschland jedoch sind die Kleingärten durch strikte Regelungen geprägt. Die genaue Größe der Beete, die Höhe der Hecken und die Auswahl der Pflanzen unterliegen oftmals den Bestimmungen des Vereins. Auch das Bauwesen, wie etwa die Gestaltung von Gartenlauben, ist in vielen Fällen reguliert.
So entstehen zwischen den Alteingesessenen und den neuen Gartenfreunden Konflikte, die aus unterschiedlichen Erwartungen und Gewohnheiten resultieren. Während die Einheimischen oft an den traditionellen Vorstellungen eines Kleingartens festhalten, sind die "Neuen" aus Syrien und anderen Ländern noch in der Lernphase. Sie sind es gewohnt, mehr Freiraum in der Gestaltung ihrer Gärten zu haben und bringen ihre eigenen Ideen ein. Doch die hiesige Kleingartenordnung lässt wenig Raum für kreative Interpretationen.
Die strengen Vorschriften sind nicht der einzige Grund für Spannungen. Kulturelle Unterschiede in der Kommunikation und im Umgang miteinander können ebenfalls Missverständnisse hervorrufen. In einigen Fällen wird das Verhalten als zu laut oder zu aufdringlich wahrgenommen, da in vielen Kleingärten das Motto „Ruhe und Erholung“ gilt. Aber auch die Alteingesessenen zeigen sich kreativ, wenn es darum geht, die Regeln zu interpretieren – sei es durch das Hinzufügen von außergewöhnlichen Gartendekorationen oder durch die Wahl eher unkonventioneller Pflanzen.
Das Resultat dieser Begegnungen ist nicht selten ein Krach. Missverständnisse und Streitigkeiten gehören in einem solchen multikulturellen Umfeld fast schon zur Tagesordnung. Doch diese Konflikte sind nicht unbedingt negativ. Sie sind ein Zeichen dafür, dass sich etwas bewegt, dass sich unterschiedliche Kulturen aufeinandertreffen und miteinander wachsen. Es sind die Gespräche über die Unterschiede, die letztlich das Verständnis füreinander fördern.
Im Kleingartenverein von Luckenwalde gibt es mittlerweile zahlreiche Initiativen, die den Austausch zwischen den Kulturen fördern. Es werden gemeinsame Feste gefeiert, bei denen sowohl deutsche als auch syrische Spezialitäten aufgetischt werden. Diese Events tragen nicht nur zur Völkerverständigung bei, sondern schaffen auch eine Plattform für das gemeinsame Erleben und die gegenseitige Wertschätzung.
Letztlich zeigt der Kleingartenverein in Luckenwalde, wie wichtig es ist, Brücken zwischen den Kulturen zu schlagen. Die kleinen Gärten, in denen Menschen unterschiedlichster Herkunft gemeinsam für das Wachstum von Pflanzen sorgen, werden zu einem symbolischen Ort der Integration. Hier wird nicht nur Gemüse angebaut, sondern auch der Boden für ein besseres gegenseitiges Verständnis bereitet. Und so bleibt trotz aller Differenzen eines immer gleich: die Liebe zum Gärtnern und die Freude am Wachsen – sei es der Garten oder das Miteinander.
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