In den sozialen Medien wird gerade kräftig ausgemistet: Kleiderschränke, Küchen, Bücherregale – überall stapeln sich Kisten mit Dingen, die demnächst verkauft, verschenkt oder entsorgt werden. „Minimalismus“ heißt das Zauberwort, das inzwischen weit mehr ist als ein ästhetischer Trend auf Instagram oder YouTube. Es geht um bewussten Verzicht, um die Rückbesinnung auf das Wesentliche. Aber kann man durch weniger Besitz wirklich mehr Lebensqualität gewinnen?
Der Minimalismus als Haltung – nicht nur als Stil
Minimalismus ist längst nicht mehr nur ein Interior-Design-Stil mit viel Weiß, Holz und Pflanzen. Für viele wird er zur Lebenshaltung. Die Idee: Wer sich von Überflüssigem trennt, schafft Raum – nicht nur in der Wohnung, sondern auch im Kopf. Dinge kosten Zeit, Energie und oft auch emotionale Aufmerksamkeit. Je weniger Ballast wir mit uns herumtragen, desto freier fühlen wir uns. Diese Haltung geht bei vielen Minimalisten sogar über das Materielle hinaus: Auch toxische Beziehungen, ungesunde Gewohnheiten oder überladene Terminkalender kommen auf den Prüfstand.
Friedmunt Sonnemann – Minimalist der ersten Stunde
Ein besonders konsequentes Beispiel für diese Lebensweise ist Friedmunt Sonnemann. Lange bevor der Begriff „Minimalismus“ in Mode kam, hat sich der studierte Agrarwissenschaftler aus der Gesellschaft zurückgezogen. Im Hunsrück lebt er seit über 30 Jahren in einer selbstgebauten Lehmhütte mitten im Wald. Ohne Strom, ohne fließendes Wasser, ohne Smartphone – aber mit viel Überzeugung.
Für Sonnemann bedeutet Verzicht Freiheit. Statt sich durch die Anforderungen der modernen Welt treiben zu lassen, hat er sich bewusst für ein einfaches, naturnahes Leben entschieden. Er lebt im Einklang mit der Natur, ernährt sich größtenteils selbst und bezieht seine Lebensfreude nicht aus Konsum, sondern aus Verbundenheit – zur Erde, zum eigenen Tun, zu einem entschleunigten Dasein.
Ist das realistisch – oder romantisch verklärt?
Doch bei aller Faszination stellt sich die Frage: Wie lange kann man die moderne Welt wirklich von sich fernhalten? Auch Friedmunt Sonnemann ist nicht vollständig abgeschottet. Er schreibt Bücher, gibt Interviews, empfängt Besucher. Ganz ohne Verbindung zur Gesellschaft geht es offenbar nicht – und vielleicht muss es das auch gar nicht.
Denn Minimalismus muss kein radikaler Ausstieg bedeuten. Zwischen kompletter Selbstversorgung im Wald und einem überfüllten Alltag in der Großstadt gibt es viele Zwischentöne. Es geht weniger darum, auf alles zu verzichten, sondern sich zu fragen: Was brauche ich wirklich? Was tut mir gut? Und worauf kann ich verzichten, ohne Lebensfreude einzubüßen – oder sie vielleicht sogar zu gewinnen?
Fazit: Weniger Besitz, mehr Bewusstsein
Ob als Aussteiger im Wald oder als Städter mit aufgeräumter Wohnung und reduziertem Alltag: Minimalismus ist keine Modeerscheinung, sondern Ausdruck eines tiefen Bedürfnisses nach Klarheit, Freiheit und Sinn. Wer sich von Überflüssigem trennt – materiell wie emotional – kann Platz schaffen für das, was wirklich zählt.
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