Für Sabine K. (64) ist das Leben stiller geworden – nicht, weil sie allein lebt, sondern weil ihre eigene Tochter Laura (31) seit Jahren kein Wort mehr mit ihr spricht. Kein Anruf. Keine Nachricht. Kein Blick. Und das, obwohl Laura nur wenige Stunden entfernt bei ihrem Vater lebt – dem Mann, von dem Sabine sich vor fast zwei Jahrzehnten getrennt hat.

„Sie hat sich für ihn entschieden – und gegen mich“, sagt Sabine mit leiser Stimme. „Und ich frage mich bis heute: Warum?“

Die Trennung – und der Bruch, der folgte

Sabine und ihr Ex-Mann trennten sich, als Laura gerade einmal 13 war. Die Ehe war zerbrochen, nicht dramatisch, aber endgültig. Laura durfte damals entscheiden, bei wem sie leben wollte – sie entschied sich für ihren Vater.

„Das war schwer, aber ich habe es akzeptiert“, erinnert sich Sabine. „Ich dachte, es sei eine Phase. Ich habe ihr Zeit gegeben. Ich habe gehofft, wir finden wieder zueinander.“

Doch aus Wochen wurden Monate, aus Monaten Jahre. Der Kontakt wurde kühler, die Gespräche seltener – und irgendwann ganz still.

Kein Streit, kein Abschied – einfach Funkstille

„Es gab nie diesen einen großen Streit. Kein lautes Wort, keine Szene. Sie hat sich einfach zurückgezogen“, erzählt Sabine. Mehrfach versuchte sie, Brücken zu bauen – schrieb Briefe, gratulierte zu Geburtstagen, stand sogar vor Lauras Tür.

„Einmal machte sie nicht auf, obwohl ich wusste, dass sie zu Hause war. Da habe ich verstanden: Sie will mich nicht sehen.“

Der Vater – ein möglicher Einfluss?

Sabine vermutet, dass Lauras Vater eine Rolle spielt – auch wenn sie es nicht sicher weiß. „Er war nie ein Fan davon, wie ich unser Leben gestaltet habe. Ich habe viel gearbeitet, war ehrgeizig. Er hat mir oft vorgeworfen, ich sei keine 'richtige Mutter'. Vielleicht hat er Laura über Jahre hinweg mit solchen Gedanken gefüttert.“

Doch an Schuldzuweisungen will Sabine sich nicht festhalten. „Was bringt das? Es macht die Leere nicht kleiner.“

Alltag mit einem unsichtbaren Schmerz

Sabine lebt heute allein in einer kleinen Wohnung, arbeitet halbtags als Buchhalterin. Ihre Abende verbringt sie oft mit alten Fotos – vor allem die Bilder von Laura als kleines Mädchen sind ihr kostbar. „Ich erkenne sie kaum wieder auf den wenigen aktuellen Bildern, die ich zufällig online gesehen habe. Es fühlt sich an, als wäre sie ein anderes Leben.“

Der Muttertag ist für Sabine ein besonders schwerer Tag. „Während andere Blumensträuße bekommen, sitze ich mit einer Tasse Kaffee da und frage mich, ob sie überhaupt noch an mich denkt.“

Zwischen Akzeptanz und Hoffnung

Trotz allem trägt Sabine einen Funken Hoffnung in sich. „Ich weiß, dass ich Fehler gemacht habe. Aber ich bin bereit, zuzuhören, zu verzeihen, neu anzufangen. Wenn sie nur einmal das Gespräch suchen würde.“

Doch sie hat auch gelernt, dass es keine Garantie für Versöhnung gibt. „Vielleicht wird sie sich nie melden. Vielleicht hat sie längst mit mir abgeschlossen. Aber ich werde sie immer lieben – egal, wie viel Abstand zwischen uns liegt.“

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