Hendrik B., 42 Jahre alt, ist Chefkoch in einem gut besuchten Restaurant in einer deutschen Großstadt. Auf dem Papier verdient er gut – brutto 3.800 Euro im Monat plus Trinkgeldanteile. „Früher hätte ich gesagt: Das ist mehr als genug“, sagt er. „Heute fühlt es sich an, als ob ich trotzdem ständig zu wenig habe.“
Hendrik lebt allein, arbeitet 50 bis 60 Stunden die Woche, oft an Wochenenden und Feiertagen. Er liebt seinen Beruf – aber mittlerweile stellt er sich die Frage, wie lange er das durchhält. Denn trotz des soliden Einkommens bleibt am Monatsende oft kaum etwas übrig.
Hohes Gehalt – hohe Kosten
„Die Miete für meine kleine Zwei-Zimmer-Wohnung liegt mittlerweile bei 1.180 Euro warm. Vor zehn Jahren hätte ich das für eine Luxuswohnung gehalten“, erzählt Hendrik. Dazu kommen gestiegene Energiepreise, teurere Lebensmittel und hohe Beiträge für Versicherungen und Altersvorsorge. „Ich zahle über 400 Euro im Monat allein für gesetzliche Krankenversicherung und Steuern. Wenn dann noch Auto, Handy, Einkäufe und Notfälle dazukommen – bleibt nichts.“
Was ihn besonders frustriert: „Ich bin einer von denen, die eigentlich alles richtig gemacht haben. Ich habe mich hochgearbeitet, zahle in die Systeme ein, arbeite hart. Und trotzdem fühle ich mich oft, als ob ich auf der Stelle trete.“
Emotionale Erschöpfung trotz Berufsstolz
Kochen ist für Hendrik nicht nur ein Job, sondern Leidenschaft. „Ich liebe es, Menschen mit gutem Essen glücklich zu machen. Aber inzwischen frage ich mich, was das alles bringt, wenn ich selbst dabei leerlaufe.“ Die ständige Anspannung, das Gefühl, wirtschaftlich keine Sicherheit aufzubauen, belastet ihn psychisch.
„Ich verdiene gut, aber ich lebe nicht gut – das ist der Unterschied.“
Kein Einzelfall
Hendriks Geschichte ist kein Einzelfall. Immer mehr Fachkräfte in Gastronomie, Pflege oder Handwerk berichten, dass ihr Gehalt kaum noch zum Leben reicht – trotz guter Ausbildung, Vollzeitjob und Erfahrung. Die Inflation, steigenden Lebenshaltungskosten und hohe Steuerlast fressen die Einkommen auf. Die sogenannte gefühlte Armut nimmt zu: Menschen, die eigentlich zur Mittelschicht zählen, aber kaum Spielraum für Rücklagen, Urlaub oder unerwartete Ausgaben haben.
„Armut beginnt im Kopf – aber auch im Portemonnaie“
„Es ist nicht nur das Geld. Es ist das Gefühl, dass es nie reicht. Dass alles, was man sich erarbeitet, sofort wieder verschwindet“, sagt Hendrik. Seine größte Angst: krank zu werden. „Dann bricht alles zusammen. Ich kann mir keine längeren Auszeiten leisten.“
Was muss sich ändern?
Für Hendrik ist klar: Es braucht nicht nur mehr Lohn, sondern auch mehr Respekt und bessere Rahmenbedingungen. „Wenn ein Koch mit 3.800 Euro brutto kaum leben kann, stimmt was nicht. Dann liegt das Problem nicht bei mir – sondern im System.“
Bis dahin macht Hendrik weiter. Er steht täglich um 9 Uhr in der Küche, schneidet, brät, richtet an. Abends fällt er erschöpft ins Bett. „Ich will nicht reich werden. Ich will nur leben können, ohne Angst vor der nächsten Rechnung.“
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