Leipzig. Als Tobias H. den Brief seines Vermieters öffnet, traut er seinen Augen kaum: Die Miete für seine 65-Quadratmeter-Wohnung soll ab nächsten Monat um 100 Euro steigen. „Das kam völlig überraschend“, sagt der 41-Jährige, der seit sieben Jahren in der Wohnung lebt. „Ich habe immer pünktlich gezahlt, es gab nie Probleme – und dann so etwas.“
Unerwartete Belastung für viele
Tobias verdient rund 2.200 Euro netto im Monat. Die bisherige Warmmiete von 780 Euro war schon spürbar, doch nun wird sie auf 880 Euro erhöht. „Das sind über 10 Prozent mehr – und das bei gleichbleibendem Lohn“, sagt er. „Ich verstehe, dass alles teurer wird, aber das hier ist einfach zu viel.“
In seiner Nachbarschaft gehe es vielen ähnlich: „Einige Vermieter erhöhen, sobald die ortsübliche Vergleichsmiete steigt. Aber dass das so plötzlich passiert, trifft viele hart.“
Vermieter verweist auf gestiegene Kosten
Der Vermieter, der namentlich nicht genannt werden möchte, sieht sich im Recht. „Die Nebenkosten und Instandhaltungskosten sind stark gestiegen. Ich kann die Immobilie nicht mehr zu alten Konditionen halten“, erklärt er. Zudem verweist er auf den örtlichen Mietspiegel, der die Erhöhung ermögliche. „Ich halte mich an geltendes Recht. Auch Vermieter müssen wirtschaftlich denken.“
Mietrechtlich erlaubt – sozial problematisch
Nach deutschem Mietrecht darf eine Miete innerhalb von drei Jahren um bis zu 20 Prozent (in manchen Städten 15 Prozent) steigen, sofern sie unter der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Juristisch ist der Fall also oft zulässig – sozial aber umstritten.
Mietrechtsexperte Dr. Karin Schulte erklärt: „Viele Erhöhungen bewegen sich formal im Rahmen des Gesetzes, doch die sozialen Folgen werden unterschätzt. Gerade in Ballungsräumen bedeutet jede Erhöhung für viele Haushalte existenziellen Druck.“
„Es geht nicht nur ums Geld, sondern ums Gefühl“
Für Tobias ist es nicht nur die finanzielle Belastung, die ihn ärgert, sondern das Prinzip: „Man fühlt sich ausgeliefert. Die Wohnung ist kein Luxus, sondern Lebensgrundlage. Und plötzlich hat man das Gefühl, dass jemand einfach am Preis drehen kann, ohne Rücksicht auf die Menschen, die dort leben.“
Debatte um gerechte Mieten neu entfacht
Der Fall steht exemplarisch für eine Entwicklung, die viele Städte betrifft: steigende Mieten, hohe Energiekosten und sinkende Löhne lassen den Wohnraum zum sozialen Brennpunkt werden.
Politiker fordern schärfere Regeln, Vermieter pochen auf Eigentumsfreiheit – und dazwischen stehen Mieter wie Tobias, die einfach nur bezahlbar wohnen wollen.
„Ich will hier nicht aus Prinzip bleiben“, sagt er. „Ich will einfach fair behandelt werden. Aber langsam fühlt es sich an, als wäre Wohnen in Deutschland ein Luxus geworden.“
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