Sabine H., 48 Jahre alt, lebt seit über zwölf Jahren in derselben Mietwohnung in einer mittleren deutschen Stadt. Es ist eine Zwei-Zimmer-Wohnung im dritten Stock, mit schiefen Wänden, schimmelnden Ecken und kaputten Fenstern, durch die der Wind pfeift. Die Küche ist alt, das Badezimmer bröckelt, und der Putz fällt stellenweise von der Decke. Doch das eigentlich Erschreckende ist: Sabine zahlt pünktlich ihre Miete – jeden Monat. Und dennoch lebt sie unter Bedingungen, die in einem wohlhabenden Land wie Deutschland eigentlich undenkbar sein sollten.

Ein Leben im Verfall

„Die Heizung funktioniert nur sporadisch, und im Winter habe ich teilweise mit zwei Decken geschlafen“, erzählt Sabine. Die Fenster schließen nicht richtig, der Schimmel breitet sich trotz regelmäßigem Lüften aus, und die Elektrik ist veraltet – in der Küche brennen manchmal zwei Lampen durch, wenn sie den Wasserkocher anstellt.

Sie hat unzählige Male den Vermieter informiert. Mal per E-Mail, mal per Einschreiben. Die Antwort ist immer gleich: „Wird geprüft“ oder „Sie können ja kündigen, wenn es Ihnen nicht passt.“

Ein Ohnmachtsgefühl

Sabine lebt allein, arbeitet in Teilzeit im Einzelhandel und kommt finanziell gerade so über die Runden. Eine neue Wohnung? Unbezahlbar. „Ich habe über 30 Bewerbungen geschrieben“, sagt sie. „Aber als Single, über 45, mit geringem Einkommen – da rutscht man immer durch.“

Das Gefühl, gefangen zu sein, nagt an ihr. „Ich bin kein Mensch zweiter Klasse. Ich verlange kein Luxusbad. Nur eine Wohnung, die trocken, warm und sicher ist.“

Mieterschutz mit Lücken

Der Fall von Sabine ist kein Einzelfall. Immer häufiger berichten Mieterorganisationen von Vernachlässigung und Verfall, besonders bei privaten Kleinvermietern oder bei Wohnungen, die nur noch Renditeobjekte sind. Oft wird auf Zeit gespielt – in der Hoffnung, dass Mieter irgendwann freiwillig ausziehen.

Rechtlich gäbe es Möglichkeiten – etwa Mietminderung oder eine Klage auf Instandsetzung. Doch das erfordert Zeit, Nerven, und meist auch einen Anwalt. Für viele wie Sabine ist das kaum machbar.

„Es geht um Würde“

„Ich will hier nicht reich werden. Ich will einfach nur wohnen dürfen wie ein Mensch“, sagt Sabine. In ihrer Stimme liegt keine Wut mehr – nur Müdigkeit.

Die Wohnung ist ihr Zuhause, trotz allem. Hier stehen ihre Bücher, ihre Erinnerungen, ihre Pflanzen auf der Fensterbank. Doch ihre Hoffnung schwindet. „Ich habe das Gefühl, dass man Menschen wie mich einfach vergessen hat.“

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