Ein Fall aus dem deutschen Alltag sorgt für Diskussionen: Eine 55-jährige Frau pflegt regelmäßig den Garten ihrer 89-jährigen Schwiegermutter – und stellt dafür 30 Euro pro Stunde in Rechnung. Was für die einen nach fairer Entlohnung klingt, empfinden andere als moralisch fragwürdig. Zwischen familiärer Hilfe und bezahlter Dienstleistung verläuft eine zunehmend umstrittene Grenze.
Wenn Familie zur Dienstleistung wird
Rasen mähen, Hecken schneiden, Beete jäten – Gartenarbeit ist körperlich fordernd, besonders für eine fast 90-jährige Frau. Dass ihre Schwiegertochter diese Aufgaben übernimmt, wäre für viele ein Akt familiärer Unterstützung. Doch die 55-Jährige betrachtet ihre Hilfe als professionellen Einsatz. Ihre Begründung: „Ich investiere Zeit, Kraft und mein eigenes Werkzeug – warum sollte ich das kostenlos tun?“
Die 89-Jährige soll bei klaren Verstand sein und habe dem Arrangement zugestimmt, allerdings mit gemischten Gefühlen. Die Nachbarn sind gespalten: Einige sprechen von „Abzocke“, andere finden die Bezahlung angemessen – besonders, wenn keine anderen Familienmitglieder helfen.
Familiäre Fürsorge oder bezahlte Arbeit?
Die Situation wirft eine grundsätzliche Frage auf: Was darf oder soll familiäre Hilfe kosten? In einer Zeit, in der immer mehr Angehörige beruflich stark eingebunden oder räumlich entfernt leben, werden Aufgaben innerhalb der Familie zunehmend ausgelagert oder entlohnt.
Doch gerade bei älteren Menschen – oft mit schmaler Rente – kann eine solche Bezahlung zur Belastung werden. Kritiker bemängeln, dass familiäre Solidarität hier durch finanzielle Interessen ersetzt werde. Befürworter hingegen argumentieren, dass Arbeit Arbeit ist – auch im Familienkreis – und bezahlt werden darf, wenn beide Seiten einverstanden sind.
Rechtlich unbedenklich, moralisch umstritten
Aus juristischer Sicht ist die Vereinbarung unproblematisch, solange sie transparent ist und keine Ausnutzung vorliegt. Problematisch wird es jedoch, wenn die ältere Person unter Druck steht oder emotional erpresst wird. In diesem Fall scheint das Verhältnis zwar klar geregelt, aber emotional belastet: Laut Berichten fühle sich die Seniorin „nicht wohl dabei“, wolle aber keinen Streit in der Familie riskieren.
Ein Spiegel unserer Zeit
Der Fall ist kein Einzelfall – und ein Spiegel unserer modernen Gesellschaft: In vielen Familien fehlt es an Zeit, Nähe oder Bereitschaft, sich unentgeltlich zu engagieren. Gleichzeitig steigen Ansprüche, Lebenshaltungskosten und das Bewusstsein für die eigene Arbeitsleistung – selbst im privaten Umfeld.
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