Jonas M., 35 Jahre alt, lebt in Nordrhein-Westfalen. Er hat Trisomie 21 – und steht dennoch täglich vor einer Schulklasse. Nicht als Schüler, sondern als Lehrer. Was viele für unmöglich hielten, hat er geschafft: Er unterrichtet an einer inklusiven Grundschule in Teilzeit – mit Leidenschaft, Geduld und einem besonderen Gespür für die Kinder.
„Ich wollte schon als Kind Lehrer werden“, sagt Jonas. „Viele haben gesagt: Das geht nicht. Aber ich habe nie aufgehört, daran zu glauben.“
Von der Förderschule zur Vorbildrolle
Jonas selbst besuchte eine Förderschule mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung. Später wechselte er in ein inklusives Berufskolleg. Über Praktika in Kindergärten und Schulen fand er seinen Weg in die pädagogische Arbeit. Unterstützt wurde er von engagierten Lehrerinnen, Therapeutinnen und seiner Familie.
Nach einer mehrjährigen Qualifikation im Rahmen eines Modellprojekts arbeitet Jonas heute offiziell als „pädagogische Assistenz mit Lehraufgaben“. Er begleitet den Unterricht, erklärt Inhalte, unterstützt Kinder mit Förderbedarf – und leitet eigenständig Lernstationen in den Fächern Sachunterricht, Kunst und Musik.
„Die Kinder nehmen ihn ganz natürlich an“, sagt Schulleiterin Martina Vogt. „Er ist authentisch, herzlich – und durch seine eigene Geschichte unglaublich motivierend.“
Inklusion, die zurückwirkt
Was Jonas täglich in der Schule leistet, ist mehr als Unterstützung – es ist gelebte Inklusion in beide Richtungen. Denn er zeigt nicht nur Kindern mit Behinderung, dass Teilhabe möglich ist – er wirkt auch auf Kollegium, Eltern und das Bildungssystem zurück.
„Wenn Jonas an der Tafel steht, wird vielen klar: Inklusion ist kein Ideal, sondern machbar“, so Vogt.
Herausforderungen und Grenzen
Natürlich gibt es Hürden. Jonas braucht klare Strukturen, feste Ansprechpartner und manchmal mehr Zeit bei der Unterrichtsvorbereitung. Doch mit guter Teamarbeit und gezielter Assistenz funktioniert der Alltag gut. „Ich habe Kolleginnen, die mir helfen, wenn’s kompliziert wird“, sagt Jonas. „Aber ich kann auch viel alleine.“
Er unterrichtet an vier Tagen pro Woche je 3–4 Stunden – ein für ihn realistisches Pensum. Zusätzlich erhält er Supervision und regelmäßige Fortbildungen.
Ein Lehrer, wie ihn sich viele Kinder wünschen
Besonders Kinder mit Lernschwierigkeiten oder emotionalen Herausforderungen öffnen sich schnell für Jonas. „Ich weiß, wie es ist, wenn man sich nicht immer verstanden fühlt“, sagt er. „Ich höre zu. Ich sage: Du kannst das. Und das hilft vielen.“
Für viele Kinder ist Jonas Vorbild und Vertrauensperson zugleich. „Er macht Mut, weil er nicht perfekt sein will – sondern echt“, beschreibt ein Vater. „Mein Sohn hat wieder Spaß an der Schule, seit Herr M. mit ihm lernt.“
Ein Appell an das System
Jonas’ Anstellung ist bislang Teil eines Sonderprogramms. Noch ist es in Deutschland selten, dass Menschen mit geistiger Behinderung selbst im Bildungsbereich arbeiten. Doch gerade seine Geschichte zeigt: Es geht – wenn man den Mut hat, neue Wege zu gehen.
„Ich will nicht der Einzige bleiben“, sagt Jonas. „Ich will zeigen, dass wir das können – mit Herz, mit Unterstützung und mit Mut.“
Fazit:
Jonas M. ist kein Einzelfall – aber er ist noch immer eine Ausnahme. Seine Geschichte zeigt, wie inklusiv Bildung wirklich werden kann, wenn man Menschen nicht auf ihre Diagnose reduziert, sondern auf ihre Fähigkeiten schaut. Denn manchmal sind genau die Menschen, denen man es nicht zutraut, die besten Lehrer.
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