Elke H. sitzt an ihrem kleinen Küchentisch, ein Notizblock vor sich, ein Kugelschreiber in der Hand. Darauf: eine Einkaufsliste. Nudeln, Haferflocken, Dosentomaten. Kein Fleisch, kein Käse, keine Extras. „Ich habe 50 Euro in der Woche für alles – das muss reichen“, sagt sie ruhig. Resigniert. Nicht wütend, nicht mehr traurig. Nur müde.

Elke ist 60 Jahre alt. Sie hat fast ihr ganzes Leben gearbeitet – im Einzelhandel, als Reinigungskraft, später im Lager eines Versandzentrums. Doch nach mehreren Bandscheibenvorfällen und einer Kündigung „aus gesundheitlichen Gründen“ blieb nur noch die Grundsicherung.

Ein Leben am Rand

Nach Abzug von Miete und Strom bleiben Elke etwa 220 Euro im Monat für Lebensmittel, Hygieneartikel, Kleidung und alles andere. „Ich rechne jeden Cent um. Ich weiß genau, wie viel ein Kilo Möhren kostet. Ich weiß, wann welches Brot reduziert ist.“ Sie lebt in einer 1-Zimmer-Wohnung am Stadtrand. Besuch empfängt sie kaum noch. „Ich schäme mich für meine Armut.“

Armut im Alter ist in Deutschland längst keine Randerscheinung mehr. Laut Paritätischem Wohlfahrtsverband gilt mehr als jede sechste Frau über 60 als armutsgefährdet. Besonders betroffen: Alleinstehende Frauen mit unterbrochenen Erwerbsbiografien, oft wegen Kindererziehung oder Pflege.

„Ich friere im Winter, damit ich essen kann“

Im Winter heizt Elke kaum. „Ich ziehe lieber zwei Pullover übereinander, bevor ich die Heizung aufdrehe.“ Fleisch gibt es höchstens einmal im Monat, Süßigkeiten gar nicht. „Ich war früher keine Genießerin – das kommt mir jetzt zugute“, sagt sie mit einem bitteren Lächeln.

Urlaub? Ein Kinobesuch? Neue Schuhe? Unerreichbar. Wenn die Waschmaschine kaputtgeht, bedeutet das eine Katastrophe. „Ich kann nicht sparen. Ich kann nur hoffen, dass nichts passiert.“

Unsichtbar und übersehen

Elke fühlt sich oft wie ein Geist in der Gesellschaft. „Niemand sieht uns. Keine Werbung richtet sich an arme Alte. Niemand fragt, wie es uns geht.“ Sie habe das Gefühl, nur noch zu überleben – nicht mehr zu leben. „Ich bin nicht alt genug für Rente, aber zu kaputt für den Arbeitsmarkt. Ich hänge irgendwo dazwischen – wie viele andere.“

Die Tafeln helfen, aber reichen nicht. „Ich war dort. Aber es ist beschämend. Man steht lange an, bekommt, was übrig ist – nicht, was man braucht.“

Systemisches Versagen

Elke ist kein Einzelfall, sondern ein Symptom. Das deutsche Sozialsystem lässt viele ältere Frauen durch das Raster fallen. Prekäre Jobs, unbezahlte Sorgearbeit und niedrige Renten sorgen für Altersarmut – auch nach jahrzehntelanger Arbeit.

„Ich habe nie auf der faulen Haut gelegen. Ich habe geputzt, geschleppt, geschuftet“, sagt Elke. „Aber jetzt? Jetzt zählt das alles nichts mehr.“

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