Für viele beginnt das neue Schuljahr mit Vorfreude: neue Hefte, neue Stifte, ein frischer Stundenplan. Für andere hingegen beginnt es mit schlaflosen Nächten, Rechnen, Verzicht – und der Angst, dem eigenen Kind nicht geben zu können, was es braucht. So geht es auch Aylin K.*, alleinerziehende Mutter eines achtjährigen Sohnes.

„Ich will doch nur, dass mein Kind nicht auffällt, dass er nicht der Junge mit den alten Schuhen und dem billigen Rucksack ist“, sagt sie mit brüchiger Stimme.

Ein Schulstart, der überfordert

Aylin arbeitet halbtags im Einzelhandel, während ihr Sohn morgens zur Schule geht. Trotz Arbeit reicht das Geld kaum. Die Liste, die sie von der Schule bekommt, ist lang: Buntstifte, Malkasten, Sportkleidung, Hausschuhe, Schnellhefter in acht Farben, ein Taschenrechner, Bücher mit Eigenanteil – und dann noch der Schulranzen, der schon nach zwei Jahren auseinanderfällt. „Das kostet alles zusammen über 250 Euro – und das ist noch sparsam gerechnet. Für mich ist das schlicht unmöglich.“

Was viele Eltern als Selbstverständlichkeit sehen, wird für andere zur Zerreißprobe. Aylin jongliert mit Sonderangeboten, bittet Freunde um gebrauchte Sachen, verzichtet selbst auf alles Überflüssige. „Ich kaufe meine Kleidung nur noch im Sozialkaufhaus. Ich habe seit Monaten keine neuen Schuhe. Alles für meinen Sohn.“

Kinderscham: Wenn Armut sichtbar wird

Ihr Sohn merkt, dass es anders läuft als bei anderen Kindern. „Er fragt mich, warum er keinen neuen Rucksack bekommt wie die anderen. Warum seine Sportschuhe so alt sind.“ Aylin versucht, stark zu bleiben – und fühlt sich gleichzeitig ohnmächtig. „Ich will nicht, dass er sich schämt. Aber Armut sieht man. Und Kinder können grausam sein.“

Ein strukturelles Problem

Aylin ist kein Einzelfall. Laut Studien geben Eltern in Deutschland im Schnitt 150–300 Euro pro Kind für den Schulstart aus – oft deutlich mehr. Familien mit wenig Einkommen können da kaum mithalten. Zwar gibt es staatliche Hilfen wie das „Bildungspaket“, aber das greift nur unter bestimmten Voraussetzungen und ist oft mit bürokratischem Aufwand verbunden. „Bis ich mal Geld für den Ranzen bekommen hätte, war das Schuljahr schon halb vorbei“, erzählt Aylin.

Bildung darf kein Luxus sein

Was bleibt, ist Wut. Und Sorge. Aylin fordert, dass Bildung in Deutschland wieder als Grundrecht behandelt wird – nicht als Frage des Geldbeutels. „Wenn wir wollen, dass alle Kinder gleiche Chancen haben, dann müssen wir bei den Eltern anfangen – mit Unterstützung, die wirklich ankommt.“

Bis dahin kämpft sie weiter. Mit Mut. Mit Liebe. Und mit der Hoffnung, dass ihr Sohn trotz allem eines Tages stolz auf sie sein wird.

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