Weniger Arbeitstage – klingt verlockend, oder? Die 4-Tage-Woche geistert seit Monaten durch Talkshows, Politikerreden und Kaffeeküchen. Doch jetzt kommt das Kleingedruckte: Wer nur vier Tage arbeiten will, muss dafür pro Tag deutlich mehr Stunden leisten. Die Frage, die sich stellt: Ist das wirklich ein Gewinn – oder bloß ein neuer Deckmantel fürs „Mehr leisten mit weniger Pause“?
Das Prinzip klingt einfach: Statt fünf Tage je acht Stunden zu arbeiten (40 Stunden/Woche), verteilt man die gleiche Zeit auf nur vier Tage – das heißt: täglich 10 Stunden schuften. Für manche klingt das nach effizienter Arbeitsweise. Für andere nach einem energiezehrenden Marathon.
„Die Idee ist nicht schlecht, aber wer glaubt, man sei nach zehn Stunden am Schreibtisch oder in der Produktion noch leistungsfähig, lebt an der Realität vorbei“, sagt Nora, 42, die in einer Personalabteilung arbeitet.
Auch Gewerkschaften sind skeptisch. Längere Tage bedeuten mehr Belastung, gerade in Berufen mit körperlicher Arbeit oder hohem Stressfaktor. Und: Wer übernimmt an den drei freien Tagen die Kinderbetreuung, wenn die Kraft dafür fehlt?
Doch es gibt auch Befürworter: „Für mich ist der Freitag frei wie ein kleiner Urlaub“, meint Timo, 31, ein IT-Spezialist, der bereits in einem Unternehmen mit 4x10-Modell arbeitet. „Ich bin produktiver, weil ich weiß, dass ich länger Zeit habe, Dinge zu Ende zu bringen.“
Doch was nach mehr Freizeit klingt, bedeutet in Wahrheit oft nur eine Verschiebung der Belastung. Wer abends erst um 19 oder 20 Uhr aus dem Büro kommt, hat vom Tag kaum noch etwas – die Freizeit schrumpft, obwohl der Kalender „frei“ sagt.
Und was ist mit Familien, Alleinerziehenden, Pflegeverantwortlichen? Für sie könnte der Tausch von fünf kürzeren Tagen gegen vier lange schlicht nicht machbar sein.
Die Debatte zeigt: Die 4-Tage-Woche ist nicht automatisch ein Geschenk. Sie ist eine Frage von Arbeitskultur, Belastungsgrenzen und fairer Umsetzung.
Sind wir wirklich bereit, weniger Tage zu arbeiten – wenn sie uns dafür komplett auslaugen? Oder brauchen wir eine mutigere Lösung: Weniger Tage, weniger Stunden – aber fair bezahlt?
Die Antwort darauf liegt nicht nur bei Politik und Unternehmen – sondern bei uns allen.
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