In einem kleinen Einfamilienhaus am Stadtrand sitzt die 60-jährige Marianne K. in eine dicke Wolldecke gehüllt. Die Digitalanzeige ihres Raumthermometers zeigt 12 Grad Celsius – ein Wert, der für viele Menschen kaum vorstellbar erscheint. Für Marianne ist er längst zum Alltag geworden.
Energie sparen aus Notwendigkeit, nicht aus Überzeugung
Während in den letzten Jahren viel über nachhaltiges Heizen und Energieeffizienz gesprochen wird, steckt hinter Mariannes Situation kein freiwilliger Verzicht. „Es geht einfach nicht anders“, sagt sie. „Die Heizkosten sind so stark gestiegen, dass ich mich entscheiden musste: Entweder ich zahle die Nachforderungen – oder ich heize kaum noch.“
Wie viele Menschen im Rentenalter lebt sie von einer knappen Rente, die kaum mit den zunehmenden Lebenshaltungskosten mithalten kann. „Ich habe immer gearbeitet. Aber am Ende reicht es trotzdem nicht, um mein Haus warm zu bekommen“, erzählt sie.
Gesundheitliche Folgen nicht zu unterschätzen
12 Grad Raumtemperatur sind deutlich unter der empfohlenen Wohnraumtemperatur von etwa 20 Grad. Besonders für ältere Menschen kann Kälte schnell zur gesundheitlichen Gefahr werden: Die Muskeln verspannen sich, das Immunsystem wird belastet, das Risiko für Atemwegserkrankungen und Kreislaufprobleme steigt.
Marianne versucht gegenzusteuern – mit mehreren Schichten Kleidung, Wärmflasche, Tee und kurzen Spaziergängen, um den Kreislauf anzuregen. „Aber wirklich warm wird mir nie“, sagt sie.
Scham und Unsichtbarkeit
Viele Betroffene sprechen nicht offen über ihre Situation. Auch Marianne tat sich erst schwer damit. „Man will ja nicht als jemand gelten, der nicht klarkommt. Aber irgendwann musste ich mir eingestehen: Das ist keine persönliche Schwäche. Das System ist einfach so, dass viele durch das Raster fallen.“
Ein gesamtgesellschaftliches Problem
Energiearmut betrifft längst nicht mehr nur Menschen in prekären Lebenslagen. Rentnerinnen und Rentner, Alleinlebende, Geringverdienende – sie alle kämpfen zunehmend mit der Frage, ob sie heizen oder sparen müssen.
Organisationen wie Sozialverbände und Energieberatungsstellen fordern schon lange eine strukturelle Lösung: bessere Renten, gezielte Zuschüsse für Heizkosten, energetische Sanierungshilfen für ältere und alleinstehende Menschen.
„Ich wünsche mir einfach nur ein warmes Zuhause“
Für Marianne bleibt der Alltag ein Balanceakt zwischen Aushalten und Improvisieren. Trotzdem gibt sie die Hoffnung nicht auf: „Ich wünsche mir keinen Luxus. Nur ein Zuhause, in dem ich nicht frieren muss.“
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