„Das ist doch nicht normal!“ – Diesen Satz hören Martin und Claudia regelmäßig, wenn sie von ihrem Finanzmodell erzählen. Die beiden sind 50 Jahre alt, seit 26 Jahren verheiratet – und führen seit 25 Jahren konsequent getrennte Kassen. Kein gemeinsames Konto, keine gemeinsamen Ausgabenabrechnungen, keine Diskussionen über den „richtigen“ Umgang mit Geld.
Während Freunde und Familie oft irritiert reagieren, sagen die beiden ganz klar: Gerade das hat unsere Ehe stark gemacht.
Ein untypisches, aber funktionierendes Modell
Was für viele Paare unvorstellbar klingt, ist für Martin und Claudia gelebte Realität. Sie teilen sich zwar Miete, Nebenkosten und größere Anschaffungen – aber jeder zahlt seinen Anteil selbst, von seinem eigenen Konto. Wer mehr verdient, zahlt prozentual mehr. Alles andere bleibt strikt getrennt: Kleidung, Hobbys, Restaurantbesuche, selbst Urlaube werden anteilig abgerechnet.
„Wir lieben uns, aber wir sind trotzdem zwei eigenständige Menschen“, sagt Claudia. „Nur weil man verheiratet ist, heißt das nicht, dass man alles vermischen muss – vor allem nicht die Finanzen.“
Warum alle es für „unnormal“ halten
Das Bild von Ehe und Familie ist in vielen Köpfen immer noch stark geprägt von der Vorstellung: alles gehört beiden. Gemeinsames Konto, gemeinsames Haus, gemeinsame Planung – und wenn einer Geldprobleme hat, trägt der andere sie automatisch mit.
Viele empfinden es als kalt oder unromantisch, Finanzen strikt zu trennen. Manche vermuten sogar Misstrauen oder mangelndes Vertrauen. „Dabei geht es bei uns genau umgekehrt um Respekt“, betont Martin. „Ich will Claudia nicht kontrollieren, und sie will mich nicht erziehen. Jeder darf seine Prioritäten haben – auch beim Geld.“
Was sie gewonnen haben
Martin liebt hochwertige Fahrräder und gibt gerne für Technik aus. Claudia investiert lieber in Bücher, Reisen und Yoga-Kurse. Streits darüber? Fehlanzeige. „Weil wir nicht ständig erklären müssen, warum wir Geld für etwas ausgeben, bleibt viel mehr Raum für Wertschätzung und Freiheit“, sagt Claudia.
Auch größere finanzielle Herausforderungen meistern sie gemeinsam – aber eben organisiert wie ein kleines Team. „Es gibt keinen Machtkampf ums Haushaltsgeld, kein schlechtes Gewissen beim Einkauf. Wir erleben Geld nicht als Stressfaktor in der Beziehung.“
Was andere denken – und warum es ihnen egal ist
„Ihr seid doch verheiratet, nicht WG-Mitbewohner!“ – Solche Reaktionen kennt das Paar gut. Vor allem aus der Familie oder von älteren Bekannten, die ein anderes Eheverständnis haben. Aber auch jüngere Freunde runzeln die Stirn.
„Für uns ist das Thema längst keine Provokation mehr“, sagt Martin. „Wir wissen, was für uns funktioniert. Und vielleicht ist das der wichtigste Punkt: Jede Beziehung ist anders. Warum also sollte es nur ein richtiges Finanzmodell geben?“
Fazit: Gemeinsam, aber frei
Martin und Claudia beweisen: Liebe muss nicht bedeuten, alles zu teilen – sondern sich gegenseitig zu vertrauen, auch ohne finanzielle Verschmelzung.
Sie leben ein Modell, das für sie funktioniert – auch wenn es nicht dem gesellschaftlichen Ideal entspricht. Und vielleicht ist gerade das ihr Erfolgsgeheimnis: ein Leben zusammen, aber mit Raum für Eigenständigkeit.