Der Mann, Anfang 40, war mit seinem siebenjährigen Sohn in einem öffentlichen Park unterwegs. Der Junge war lebendig, neugierig, ein bisschen laut, wie es Kinder in dem Alter oft sind. Er sprang umher, stellte viele Fragen, redete laut, lachte – und zog damit die Aufmerksamkeit einiger Spaziergänger auf sich. Als der Junge in der Nähe einer Parkbank zu laut spielte und dabei kurz auf den Rand stieg, war es für einen älteren Passanten offenbar zu viel. „So benimmt man sich nicht!“, rief er in Richtung des Kindes – und dann direkt zum Vater: „Erziehen Sie Ihr Kind besser!“

Was als beiläufige Ermahnung gemeint war, traf den Vater tief. Für ihn war es nicht nur unangebracht, sondern respektlos. „Ich lasse mein Kind Kind sein“, sagte er später. „Er hat niemandem wehgetan, nichts kaputtgemacht. Er war einfach lebendig. Und das wird heute offenbar schon als störend empfunden.“

Eine Frage der Erziehung – oder der Intoleranz?

Der Fall wirft eine größere gesellschaftliche Frage auf: Wie viel kindliches Verhalten „darf“ noch sein, bevor sich Erwachsene – besonders Fremde – gestört fühlen? In einer zunehmend durchorganisierten, leisen und kontrollierten Welt scheinen Kinder, die sich laut und ungefiltert verhalten, immer öfter negativ aufzufallen.

Der Vater betont: „Ich bringe meinem Sohn bei, rücksichtsvoll zu sein – aber ich will ihn nicht zu einem Roboter erziehen, der sich ständig zurücknehmen muss, nur weil Erwachsene keine Kinderlaute ertragen.“

Fremderziehung: Hilfreich oder grenzüberschreitend?

Einmischung von außen ist für viele Eltern ein heikles Thema. Gut gemeinte Ratschläge von Freunden oder der Familie sind eine Sache – doch wenn sich Fremde auf der Straße oder im Supermarkt plötzlich als selbsternannte Erziehungsberater aufspielen, fühlen sich viele Mütter und Väter angegriffen. „Man fühlt sich öffentlich bloßgestellt“, erklärt der Vater. „Da steht man mit seinem Kind, und jemand Fremdes stellt deine Kompetenz als Vater infrage.“

Psychologinnen und Erziehungsexperten warnen ebenfalls vor vorschnellen Urteilen: „Kinder lernen durch Ausprobieren – und manchmal durch lautes Verhalten“, sagt Familienberaterin Julia Meier. „Öffentliche Räume sollten nicht nur Erwachsenen gehören. Ein toleranter Umgang mit kindlichem Verhalten ist ein Zeichen für eine gesunde Gesellschaft.“

Zwischen Zivilcourage und Übergriffigkeit

Natürlich gibt es Situationen, in denen ein Eingreifen angebracht ist – zum Beispiel bei echter Gefahr, Gewalt oder respektlosem Verhalten. Doch wo genau liegt die Grenze zwischen berechtigtem Eingreifen und unnötiger Bevormundung? Der Vater im Park war sich sicher: „Es ging nicht um Sicherheit. Es ging um Genervtsein. Und das ist kein Grund, mein Kind zurechtzuweisen.“

Fazit

Der Vorfall mag harmlos erscheinen – doch er steht exemplarisch für eine wachsende Intoleranz gegenüber kindlicher Freiheit. Während sich viele Menschen nach mehr Rücksicht und Ruhe sehnen, bleibt die Frage: Haben Kinder in der Öffentlichkeit überhaupt noch Platz, so zu sein, wie sie sind?

Der Vater ist jedenfalls überzeugt: „Mein Sohn soll sich nicht dafür schämen müssen, ein Kind zu sein. Und ich lasse mir von Fremden nicht vorschreiben, wie ich ihn zu erziehen habe.“

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