München – Peter M. ist 47 Jahre alt und lebt in einer kleinen Wohnung am Stadtrand. Seit 20 Jahren hat er keine feste Anstellung mehr. Für viele ist das unvorstellbar – ein Leben ohne Arbeit, ohne Karriere, ohne Aufstieg. Schnell fällt dann ein Wort: faul. Doch wer mit Peter spricht, merkt schnell, dass die Realität oft komplexer ist als das Klischee.

Vom Job in die Langzeitarbeitslosigkeit

„Ich habe früher im Lager gearbeitet, dann kamen die Rückenschmerzen, ein paar Entlassungen, und irgendwann war ich einfach raus“, sagt Peter. Anfangs habe er noch regelmäßig Bewerbungen geschrieben, Weiterbildungen gemacht – „aber nach Jahren voller Absagen verliert man irgendwann den Mut.“

Sein Tagesablauf ist heute strukturiert, aber nicht von Arbeitszeiten geprägt. Er steht gegen acht Uhr auf, kümmert sich um den Haushalt, geht einkaufen, liest viel. „Ich bin keiner, der nur auf dem Sofa liegt. Ich versuche, mein Leben sinnvoll zu gestalten.“

Zwischen Eigenverantwortung und Systemversagen

Langzeitarbeitslosigkeit ist ein gesellschaftlich sensibles Thema. Studien zeigen, dass Menschen, die über längere Zeit keine Arbeit finden, oft mit psychischen Belastungen, Isolation und Stigmatisierung kämpfen. Das betrifft nicht nur ihre finanzielle Situation – sondern auch ihr Selbstwertgefühl.

„Natürlich fragt man sich, ob man selbst schuld ist“, gibt Peter offen zu. „Aber irgendwann ist es wie ein Stempel auf der Stirn – Arbeitgeber sehen nur noch die Lücke im Lebenslauf.“

Soziale Einrichtungen berichten, dass es viele Peters gibt. Menschen, die nicht arbeiten, aber keineswegs arbeitsunwillig sind. Oft fehlen Qualifikationen, gesundheitliche Voraussetzungen oder schlicht die richtigen Gelegenheiten. Die Scham darüber, „nicht dazuzugehören“, sei allgegenwärtig.

Politik, Perspektiven und persönliche Wege

Obwohl es staatliche Programme für Langzeitarbeitslose gibt – etwa Qualifizierungsmaßnahmen und Eingliederungszuschüsse – greifen sie nicht immer dort, wo sie gebraucht werden. „Ich war schon in Coachings, aber manchmal hat man das Gefühl, die verstehen gar nicht, wie aussichtslos es sich anfühlen kann“, sagt Peter.

Doch er hat auch Hoffnungen. Seit Kurzem engagiert er sich in einem Tauschkreis, hilft älteren Menschen im Viertel beim Einkaufen oder bei kleineren Reparaturen. „Ich möchte zeigen, dass ich gebraucht werde.“

Der Mensch hinter dem Stempel

Der Fall von Peter M. wirft Fragen auf: Wie definieren wir gesellschaftlichen Wert? Warum fällt es uns so schwer, zwischen „nicht arbeiten können“ und „nicht arbeiten wollen“ zu unterscheiden? Und welche Verantwortung trägt das System – aber auch der Einzelne?

Peter weiß, dass es nicht einfach ist, wieder ins Berufsleben zu kommen. Doch er ist bereit. „Ich habe Fehler gemacht, klar. Aber ich will nicht einfach aufgegeben werden.“

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