Mit seinen 80 Jahren blickt Herr Karl Schmidt* auf ein langes Leben zurück, das von vielen Erinnerungen und Erlebnissen geprägt ist. Doch in einer Hinsicht unterscheidet sich seine Geschichte von jener vieler anderer Menschen: Herr Schmidt hat nie ein eigenes Haus besessen, sondern sein ganzes Leben in Mietwohnungen verbracht. Seine Geschichte ist nicht nur eine individuelle Lebensentscheidung, sondern auch ein Spiegel der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen in Deutschland.
Die frühe Prägung: Kindheit in der Mietwohnung
Herr Schmidt wuchs in den 1940er Jahren in einer Kleinstadt in Westdeutschland auf. Schon seine Eltern lebten zur Miete. Damals war es für viele Familien nach dem Zweiten Weltkrieg nicht unüblich, in bescheidenen Mietwohnungen zu leben, denn Eigenheime waren für die breite Bevölkerung oft nicht erschwinglich. „Für meine Eltern war es völlig normal, zur Miete zu wohnen. Eigentum war nichts, worüber man nachdachte“, erzählt Herr Schmidt. Auch in seiner Jugend und den frühen Erwachsenenjahren schien die Vorstellung, ein Haus zu kaufen, fern.
Beruf und Familie: Ein Leben in der Großstadt
Als Herr Schmidt in den 1960er Jahren eine Anstellung als Kaufmann in einer großen Stadt fand, zogen er und seine Frau in eine Mietwohnung. „Die Stadt war lebendig, voller Möglichkeiten, und die Mietpreise waren damals noch moderat“, erinnert er sich. Damals war der Erwerb eines Eigenheims in der Stadt für junge Paare kaum ein Thema. Vielmehr schien das urbane Leben flexibler und bequemer. Auch als die Familie wuchs und zwei Kinder geboren wurden, blieb das Paar in Mietwohnungen.
Die Idee eines Eigenheims kam erst in den 1970er Jahren auf, als die Wohnungssuche schwieriger wurde und Eigenheime in den Vorstädten populärer wurden. „Ein Haus im Grünen? Ja, das klang verlockend“, meint Schmidt. Doch die finanziellen Mittel und der Mut, sich langfristig zu verschulden, fehlten. „Wir waren nicht arm, aber der Hauskauf hätte uns über Jahrzehnte hinweg finanziell belastet. Ich wollte keine so große Verpflichtung eingehen.“
Stabilität in der Miete
Für Herrn Schmidt war das Leben zur Miete nicht nur eine Frage des Geldes. „Für mich war Mieten immer gleichbedeutend mit Flexibilität“, sagt er. Während viele seiner Bekannten Häuser kauften und sich langfristig festlegten, genoss er die Freiheit, sich keine Gedanken über Reparaturen oder unerwartete Kosten machen zu müssen. „Wenn etwas kaputtging, kümmerte sich der Vermieter. Ich war nie gezwungen, größere Summen in Instandhaltung zu investieren.“
Auch der Gedanke an einen Umzug war für Herrn Schmidt nie abschreckend. „Im Laufe meines Lebens bin ich einige Male umgezogen, aber es war nie problematisch. Ich fand immer eine Wohnung, die zu meinen Bedürfnissen passte.“ In seinen jüngeren Jahren bedeutete das manchmal, näher am Arbeitsplatz zu wohnen oder in eine größere Wohnung zu ziehen, als die Kinder kamen. Später, im Ruhestand, suchte er sich eine kleinere Wohnung, die leichter zu bewältigen war.
Veränderungen auf dem Wohnungsmarkt: Steigende Mieten
Was Herr Schmidt jedoch zunehmend bemerkte, waren die Veränderungen auf dem Wohnungsmarkt. Besonders in den letzten Jahrzehnten seien die Mieten in den Großstädten stark gestiegen. „Früher war es viel leichter, eine günstige Wohnung zu finden“, bemerkt er. Heute beobachtet er mit Sorge, dass viele junge Menschen Schwierigkeiten haben, sich überhaupt eine Mietwohnung in der Stadt leisten zu können. „Für mich war es immer normal, zur Miete zu wohnen. Aber ich verstehe, dass es heute für viele Menschen frustrierend ist, wenn die Mieten so hoch sind, dass kaum etwas zum Leben übrig bleibt.“
Der Blick zurück: Bereut er den Kaufverzicht?
Auf die Frage, ob er es bereue, nie ein eigenes Haus gekauft zu haben, antwortet Herr Schmidt nachdenklich: „Manchmal frage ich mich, wie es wohl gewesen wäre, ein eigenes Haus zu haben. Aber gleichzeitig bin ich froh, dass ich keine Schulden gemacht habe und immer flexibel war.“ Er sieht das Leben in Mietwohnungen als eine Wahl, die zu seinem Lebensstil passte. „Für mich war es in Ordnung, keinen Besitz anzuhäufen. Ich wollte mein Leben genießen und nicht mein ganzes Geld in vier Wände stecken.“
Altersvorsorge und Erbe: Die Kehrseite der Medaille
Ein Aspekt, den Herr Schmidt jedoch nicht ignorieren kann, ist die finanzielle Sicherheit im Alter. Viele seiner Freunde und Bekannten, die Eigenheime gekauft haben, profitieren heute davon. Sie zahlen keine Miete mehr und haben eine wertvolle Immobilie, die sie entweder verkaufen oder vererben können. „Natürlich, jetzt im Alter, wäre es schön, mietfrei zu wohnen. Aber ich komme gut zurecht.“ Seine Rente reicht, um die Miete zu zahlen und ihm ein gutes Leben zu ermöglichen. Auch die Frage des Erbes ist für ihn klar: „Ich habe meinen Kindern immer gesagt, dass sie von mir keine Immobilie erwarten sollen. Sie haben ihr eigenes Leben aufgebaut, und ich werde ihnen das geben, was ich kann.“
Fazit: Ein Leben ohne Eigentum – eine bewusste Entscheidung
Herr Schmidt hat in seinem Leben vieles erlebt, aber eines nie: das Gefühl, ein eigenes Haus zu besitzen. Und doch bereut er es nicht. „Es war mein Weg, und ich bin zufrieden damit“, sagt er zum Abschluss. Für ihn war das Leben in Mietwohnungen eine bewusste Entscheidung, die ihm finanzielle und persönliche Freiheit ermöglichte.
Seine Geschichte zeigt, dass es keinen universellen Weg zum Glück gibt. Während das Eigenheim für viele Menschen ein Lebensziel darstellt, gibt es auch jene wie Herrn Schmidt, die das Leben in einer Mietwohnung als ebenso erfüllend erleben.
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