Berlin – Für viele Passanten ist es ein schöner Moment im hektischen Alltag: Eine junge Frau steht mit ihrer Gitarre in der Fußgängerzone, singt mit klarer Stimme bekannte Popsongs – und legt eine Sammelbox vor sich. Was für die einen sympathisches Straßenflair ist, treibt ihrer Mutter die Sorgenfalten ins Gesicht.
„Ich verstehe, dass sie Musik liebt“, sagt Petra H. (44), Mutter der 17-jährigen Lena. „Aber sie ist noch minderjährig. Und die Straße ist kein sicherer Ort – schon gar nicht, wenn man allein unterwegs ist.“
Seit einigen Wochen tritt Lena regelmäßig in der Innenstadt auf, meist nach der Schule oder an Wochenenden. Die Passanten bleiben stehen, manche filmen sie, andere werfen ein paar Euro in ihre Kiste. Für Lena ist das mehr als ein Hobby – es ist ein erster Schritt in die künstlerische Selbstständigkeit.
„Ich will einfach singen. Und wenn ich dabei ein bisschen Geld verdiene, ist das doch nichts Schlimmes“, erklärt Lena. „Ich will später vielleicht Musik studieren, also ist das doch eine gute Übung.“
Ihre Mutter sieht das anders. „Was ist, wenn ihr jemand nachstellt? Wenn sie blöd angemacht wird oder jemand aggressiv wird?“ Sie habe Lena mehrfach gebeten, nur in Begleitung zu spielen – oder ganz auf die Straßenmusik zu verzichten. Doch die Tochter sieht darin eine Einschränkung ihrer Freiheit.
Zwischen Mutter und Tochter ist ein Konflikt entstanden, der typisch ist für viele Familien: die Balance zwischen Schutz und Selbstständigkeit. „Ich will ihr nichts verbieten, aber ich habe Angst, dass sie in eine Situation gerät, die sie nicht kontrollieren kann“, sagt Petra H. „Sie ist klug und talentiert – aber eben auch noch sehr jung.“
Auch rechtlich ist das Straßenmusizieren mit 17 nicht ganz unproblematisch. Minderjährige dürfen grundsätzlich auftreten, benötigen dafür in vielen Städten aber eine Sondergenehmigung oder die Zustimmung der Eltern. Petra H. hat bisher keine solche Genehmigung beantragt – aus Prinzip.
„Ich will nicht, dass sie glaubt, ich unterstütze das uneingeschränkt. Sie soll wissen, dass ich hinter ihr stehe – aber nicht um jeden Preis.“
Lena hingegen wünscht sich mehr Vertrauen. „Ich pass auf mich auf. Ich weiß, was ich tue.“ Sie hofft, dass ihre Mutter sie bald begleiten wird – „damit sie sieht, dass es nicht so schlimm ist, wie sie denkt.“
Bis dahin bleibt es ein Balanceakt zwischen künstlerischer Freiheit und mütterlicher Sorge – mit offenem Ausgang.
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