Berlin – In der Hektik der Berliner U-Bahn fällt er den meisten kaum auf. Ein Mann mit müden Augen, gekleidet in abgetragene Kleidung, bewegt sich scheinbar ziellos durch die Gänge. Für viele ist er nur eine weitere Gestalt in der urbanen Kulisse. Doch für ihn ist die U-Bahn nicht nur ein vorübergehender Aufenthaltsort – sie ist sein Zuhause.
Seit Jahren lebt der 46-jährige Klaus M. in den unterirdischen Tunneln der Hauptstadt. Er schläft in den hintersten Ecken der Stationen, wärmt sich an den Lüftungsschächten und verbringt seine Tage in den Waggons, die ihn von einem Ende der Stadt zum anderen tragen. Seine Habseligkeiten passen in einen alten Rucksack, den er immer bei sich trägt. Eine Wohnung kommt für ihn nicht in Frage – und daran wird sich auch nichts ändern.
Die tägliche Konfrontation mit der Polizei
Die Berliner Polizei kennt Klaus M. gut. Mehrmals am Tag wird er kontrolliert, aufgefordert, den Bahnhof zu verlassen, oder sogar vorübergehend in Gewahrsam genommen. „Sie behandeln mich wie einen Kriminellen, nur weil ich keinen festen Wohnsitz habe“, sagt er mit ruhiger Stimme. „Aber ich tue niemandem etwas.“
Für die Ordnungskräfte ist er ein Problemfall. Schlafen in den U-Bahnstationen ist offiziell verboten, und das ständige Umherziehen wird von der BVG-Sicherheit als Störung empfunden. Doch für Klaus gibt es keinen anderen Ort. Er meidet Notunterkünfte, weil er die Enge, den Lärm und die Regeln nicht erträgt. „Da ist es schlimmer als hier unten“, erklärt er.
Ein Leben abseits der Gesellschaft
Warum entscheidet sich jemand bewusst gegen ein Dach über dem Kopf? Klaus M. hat darauf eine klare Antwort: „Ich brauche meine Freiheit.“ Einst hatte er eine Wohnung, einen Job als Handwerker und ein geregeltes Leben. Doch nach einer Reihe von Schicksalsschlägen – eine gescheiterte Ehe, der Verlust seiner Arbeit – zog er sich immer mehr zurück. Irgendwann wurde die Straße zu seinem neuen Zuhause, und schließlich die U-Bahn.
„Hier unten habe ich alles, was ich brauche“, sagt er. „Es ist warm, ich kann mich bewegen, und ich bin nicht allein.“ Er spricht von den anderen Obdachlosen, mit denen er sich gelegentlich zusammentut, von freundlichen Fahrgästen, die ihm manchmal Essen oder ein wenig Geld geben, und von der Anonymität der Großstadt, die ihm Schutz bietet.
Der Wunsch nach Akzeptanz
Auf die Frage, ob er jemals wieder in eine Wohnung ziehen würde, schüttelt Klaus den Kopf. „Warum sollte ich? Die Gesellschaft verlangt, dass man sich anpasst, dass man funktioniert. Aber ich habe meinen eigenen Weg gefunden.“
Trotz der ständigen Reibereien mit der Polizei hat er sich in seinem Leben unter der Erde eingerichtet. Die Nächte sind hart, die Winter besonders gnadenlos, aber für ihn ist es besser als jede Alternative.
„Ich verlange nicht viel“, sagt er zum Abschied, während er in einen der einfahrenden Züge steigt. „Nur, dass man mich in Ruhe lässt.“
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